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Entdeckt (27): Paradies by Helene Fischer – Zum Dauerlächeln verdammt

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Helene Fischer sieht gut aus – und ihr Magazin auch. Aber muss “Paradies” die Fans deshalb so langweilen? Die Sängerin verrät darin nur Dinge, die jeder Passant auf der Straße ausplaudern würde.

Paradiesmagazin

Starmagazine begleiten mich schon lange. Mit Elf habe ich eins über meinen Lieblingsklub produziert, den FC Bayern. In den Handel geschafft hat es „Forever Number One!!“ (das Titelbild ist exklusiv hier zu sehen) jedoch nie. Vielleicht lag es an der eigenwilligen Produktionsweise: Fotos kaufen, scannen, ausdrucken, aufkleben, zwei Sätze Text dazu sowie ein paar falsch gesetzte Leerzeichen. Oder daran, wie stark sich meine Artikel dem Fotomaterial unterordnen mussten. Die These, jemand sei kein Modemuffel, weil er ein Fußballcappy trägt (Beweisfoto), erscheint mir im Rückblick jedenfalls gewagt.

Mittlerweile bastle ich keine Starhefte mehr, sondern verfolge nur noch, wie sich die Sparte entwickelt. Dabei stieß ich jüngst auf das Magazin „Paradies“, das den Zusatz „by Helene Fischer“ trägt. Helene Fischer ist eine junge Dame, die in den vergangenen Jahren so ziemlich alles gewonnen hat, was man in der Schlagerwelt gewinnen kann: den Echo, die Goldene Kamera, das Herz von Florian Silbereisen. Außerdem haben Hunderttausende ihre Konzerte besucht. Da ist das eigene Magazin ein naheliegender nächster Schritt. Und die Fans müssen sich fortan keine Frau Aktuell oder Echo der Frau mehr kaufen.

Hochglanzbroschüre voller Belanglosigkeiten

Ein Heft über Helene Fischer zu machen, ist eine dankbare Aufgabe. Schließlich sieht Fischer gut aus. Das weiß auch die Paradies-Redaktion und packt auf 88 Seiten fast 150 Fotos der Sängerin. Dank dieser Bilder in einem schlichten, luftigen Layout hat mir das Heft sofort gefallen, für ein Starmagazin auf Hochglanzpapier wirkt es schick. Optisch ohnehin eine Wucht: In seinem Großformat übertrumpft es jeden DIN-A4-Konkurrenten. So fühlte ich mich fast cool, als ich diese Schlagerzeitschrift kaufte. Zumindest, bis ich vor allen Kunden nach dem Preis fragen musste. Der ist nirgendwo aufgedruckt. Doch das ist nicht der größte Fehler im Kontext von Paradies.

Den größten Fehler habe ich gemacht. Als ich mir statt Fischers Fotos die Geschichten des Hefts anschaute. Von diesem Moment an konnte ich es mir nicht länger verzeihen, zehn Euro für Paradies ausgegeben zu haben. Denn das Heft ist eine Hochglanzbroschüre ohne nennenswerten Inhalt. Das Meiste, was der Leser darin über Helene Fischer erfährt, sind Belanglosigkeiten. Dass sie auf ihren Reisen nicht auf Tee verzichten will. Dass sie lieber einen Kohlrabi kauft, weil der Weißkohl so viel wiegt. Oder dass sie Musik auf ihrem iPod hört und nicht auf dem Handy. Wow. Im Vergleich dazu wirkt selbst mein 08/15-Großstadtsingle-Leben atemberaubend. Ich kaufe sogar Weißkohl.

Dinge, die jeder Passant verraten würde

Vermutlich unfreiwillig bringt Fischers Fanshop das Problem des Magazins auf den Punkt. In der Heftbeschreibung heißt es dort: „Was gibt es Schöneres als einen bildhaften ‚Rundum-Blick‘ hinter die Kulissen des Showbusiness-Alltags [...]? Wenn man dabei sogar noch erfährt, dass auch der private Alltag der Künstlerin in Harmonie mit dem Business steht?“ Abgesehen davon, dass es sehr wohl schönere Dinge gibt: Ist dieser Alltag „in Harmonie mit dem Business“ nicht der Worst Case für den Leser? Ist ein so beworbenes Heft nicht dazu verdammt, oberflächlich zu bleiben? Dauerlächeln bei Fotoshootings zu präsentieren anstelle von Geschichten, in denen der Mensch Fischer durchscheint?

Die Tendenz des Hefts, von Fischer kaum mehr zu verraten, als jeder Passant spontan auf der Straße von sich preisgeben würde, führt zu teils skurrilen Inhalten. Die als Fotoreportagen angepriesenen Geschichten zeigen Fischer unter anderem beim Radfahren oder beim Einkaufen im Biomarkt. Da schießt der Puls in die Höhe. Wenn man noch nie ein Fahrrad, einen Biomarkt oder eine angezogene Frau gesehen hat. Triviale Handlungen wie die, dass Fischer eine Tasche in den Kofferraum stellt und diesen zumacht, werden in fünf Fotos dokumentiert. Dabei singt Fischer doch selbst: Ewig ist manchmal zu lang.

Keine Spur von Silbereisen

Spannender als das, was im Heft steht, ist das, was nicht drin steht. Florian Silbereisen, mit dem sie seit 2008 liiert sein soll, etwa wird in keiner Zeile erwähnt. Generell hätte es viele Themen gegeben, über die ich gern etwas gelesen hätte: Wie sieht der Terminkalender einer Schlagersängerin aus, wie verbindet sie Privatleben und Promotermine? Wie hat Fischer ihre Kindheit erlebt, nachdem sie aus Russland nach Deutschland gezogen ist? Und, und, und. Am Ende waren drei Kochrezepte und die Skizzen von Fischers Bühnenoutfits die Heftinhalte, die ich am ansprechendsten fand.

Immerhin ist die Sprache der kurzen Artikel ordentlich, vom Gehalt von Fischers Zitaten abgesehen. Von der Sängerin erfährt der Leser vor allem sowas: „Aber egal was passiert – ich werde natürlich so bleiben, wie ich bin.“ Oder sie verrät Intimes wie: „Das Allerwichtigste ist meiner Meinung nach, dass man dabei immer man selbst bleibt.“ Und: „Wichtig ist eben nur, dass man immer authentisch bleibt und sich nicht verstellt.“ Gut zu wissen. Ein Glück, dass die Lektüre dieser Binsenweisheiten nur 30 Minuten dauerte.

Paradies by Helene Fischer – ein Fazit

Helene Fischers Magazin ist ein kurzes Vergnügen. Bei mir endete es, als ich mir außer den Bildern der Sängerin die Geschichten drumherum ansah. Weder die vielen Fotos noch das gute Layout können dauerhaft überdecken, wie oberflächlich dieses Heft ist. Das, was Helene Fischer als Magazin verkauft, ist meiner Meinung nach bestenfalls ein unspektakulärer Bildband. Ein solches Starmagazin, das nur Belanglosigkeiten über die Schlagersängerin verrät, brauchen eigentlich nicht mal ihre Fans.

Letztendlich krankt Paradies also am selben Problem wie einst mein FC-Bayern-Starmagazin: unzählige Fotos, praktisch kein Inhalt. Konsequenterweise wurde zumindest “Forever Number One!!!” nach der ersten Ausgabe eingestellt. Zur miserablen Kritik kam hinzu, dass ich mich anderen Projekten widmen musste. Etwa dem, meinen Eltern zu erklären, warum plötzlich die Farbpatrone leer ist.

Infos zum Heft

Paradies by Helene Fischer ist die Tournee-Zeitschrift der Sängerin. Fischer selbst ist im Impressum als Herausgeberin gelistet, konzipiert hat das Magazin der Verlag Heimat 2050. Erstmals erschienen ist Paradies anlässlich der “So wie ich bin”-Tournee im Jahr 2010.

Beschrieben wurde die zweite Ausgabe aus dem vergangenen Sommer. Zunächst wurde das Heft ausschließlich bei Helene Fischers Auftritten im Mai und Juni 2011 verkauft, seit Dezember ist es in identischer Form auch im Bahnhofbuchhandel erhältlich. Laut Auskunft des Fischer-Managements kamen rund 7500 Exemplare in den Handel.

Das Heft hat 88 Seiten, ist anzeigenfrei und kostet zehn Euro.



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