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Entdeckt (58): Mutti kocht am besten – Fancy Shit und creamy-dreamy Sahnesoße

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Wie macht man Red Hot Chili Peppers mit Lachs? “Mutti kocht am besten” soll jungen Leuten das Kochen näherbringen – mit appetitlichen Fotos und Anspielungen auf Bands und Serien. Ein guter Ansatz, wäre die Sprache einfach nur normal.

cover-mutti

Ich bin keine Koch-Null, aber kaum besser. Grundlegendes kriege ich hin, aber sobald in einem Rezept Begriffe wie Blanchieren und Pochieren auftauchen, brauche ich Google. Da hilft es auch nicht, dass ich vor längerer Zeit bei einem Kochkurs mitgemacht habe, in der Hoffnung, mein Wissen auszubauen und dort nette Singlefrauen zu treffen.

Nach fünf Wochen beherrschte ich nur zwei, drei neue Gerichte, kannte aber immerhin einige ältere Mittvierziger, in deren Alltag es seit kurzem keine Ehefrau und damit auch keine Küchenaktivität mehr gab. In den Vorgängerkursen sei das Geschlechterverhältnis oft ausgeglichen gewesen, behauptete unsere Lehrerin, die einzige Frau im Raum.

Um meine Essenspalette mal wieder zu erweitern, habe ich neulich Mutti kocht am besten gekauft, ein Heft, dessen Facebook-Slogan mich eindeutig als Zielgruppe ausweist. “Das Kochmagazin für alle, die eigentlich nicht kochen”, lautet der Werbespruch – das Heft soll Laien erklären, wie man Küchenklassiker zubereitet. Basics statt Blanchieren. Da schreckte es mich auch nicht ab, dass die Titelzeile “Na, du Nudel!” hingeschlampt wirkt und außerdem an Beef erinnert. Das Magazin für Fleischfans lag neulich mit dem Titel “Ey, Keule” am Kiosk.

Willkommen im “House of Tartes”

Beim ersten Durchblättern macht Mutti kocht am besten einen guten Eindruck. Die Fotos sind durchweg appetitlich, die Bandbreite der Gerichte reicht von Spaghetti Bolognese über Wiener Backhendl bis zum veganen Linsen-Kokos-Curry. Einige der klassischen Gerichte sprachen mich auf Anhieb an, etwa mehrere Frikadellen- und Rührei-Varianten.

Und dann gibt es noch einige Dinge, die nie in der Küche meiner Mutter aufgetaucht sind, die aber zumindest ein witziges Partymitbringsel sind. Wie wär’s mit Sandwiches mit Chips-Belag oder mit einer Süßigkeiten-Pizza, voll mit Oreo-Krümmeln, Twix-Stücken und Raffaello-Trümmern?

An vielen Stellen im Heft finden sich Anspielungen auf Serien und Bands. Unter dem Stichwort “House of Tartes” werden etwa Kuchen-Ideen für Fans der Serie House of Cards präsentiert. An anderer Stelle werden Bandnamen nachgebaut: Es gibt Red Hot Chili Peppers mit saftigem Lachs und Black Eyed Peas auf Avocado-Mango-Salat. Per QR-Code lässt sich jeweils eine passende Spotify-Playlist aufrufen. Nette Ideen, die mich tatsächlich in meiner Lebenswelt abholen.

Kuchen-Rezepte, die zu “House of Cards” passen: Im Heft finden sich diverse Anspielungen auf Songs und Serien (Foto: Bauer Verlag)

Ich fühle mich alt

Es gibt aber auch Momente, in denen ich mit dem Heft fremdle. Der Sprachstil zum Beispiel nervt. Zubereitungshinweise enden gern mit Kommentaren wie “fancy Shit”, “Dazu schmeckt Reis ganz nice” oder “Komplett auskühlen und Bite für Bite vernaschen”. Ein Törtchen ist “sündig, edel und delicious”, eine gefüllte Avocado ein “hammermäßiges Powergericht”.

Gefüllte Tortillas “flashen” mit ihrer “creamy-dreamy Sahnesoße”. Es geht um “Hangover-Food” und um “upgecycelte DIY-Deko”. Wein heißt “Vino”, Plastikfiguren sind “Designer Toys”. Und “Brutzelstars” hauen “eiskalt” ihre Rezepte für “drei echt heiße Nummern” raus.

Dass ich mich beim Lesen alt fühle, ist eine beachtliche Leistung für ein Heft mit Retrotitel. Vielleicht ist meine Reaktion aber auch normal und die Macher haben die Begriffe nur in einer Werbeagentur aufgeschnappt, die gerade eine Kampagne für Hipster entwirft. Auf der Verlagswebsite heißt es, Mutti kocht am besten richte sich an eine junge Zielgruppe, die “kreativ, unisex und urban ist”. Durch den lockeren Ton werde klar, dass Mutti nicht auf den Mund gefallen ist. Ah ja.

Wortspiele auf fast jeder Seite

Überhaupt scheint die Mutti-Redaktion ihre Kreativität kaum bremsen zu können. Es gibt im Heft witzige Wortspiele, aber da auf fast jeder Seite Formulierungen wie “Yes, we candy!”, “Reis, Reis, Baby!” und “Pimp your TK-Gemüse” auftauchen, wurde es mir schnell zu viel.

“You’ll never wok alone” zum Beispiel ist eine nette Überschrift für eine Rezeptstrecke zum Thema Asia-Karaoke. Aber müssen wirklich noch diverse ähnliche Anspielungen folgen, wie “Wok it, Baby!”, “Sing like a Wokstar!” und “We’re wok all night to get lucky”? Meins ist das nicht, genauso wenig wie eine Gerichtvorstellung, die mit “Verstehst du nur Banh-hof? Banh Mi ist ein belegtes Baguette” beginnt.

Auch bei der Optik übertreibt es das Heft manchmal. Das Layout ist eigentlich gut, es gibt viele nette Design-Ideen, von handschriftlichen Notizen über “Nomnom”-Sprechblasen von Plastikfiguren bis zu Emojis, die in einem Chatprotokoll auftauchen. Mitunter findet sich aber schlicht zu viel davon in einem Artikel, was einige Seiten überladen wirken lässt.

Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit Bildern

Immerhin überzeugt das Heft mit seinem wichtigsten Inhalt, den Rezepten. Sie sind verständlich geschrieben, ausreichend detailliert und zum Glück nüchterner formuliert. Ein Teil der Gerichte wird mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung in Bildern präsentiert, was ich extrem hilfreich finde. Zu jedem Gericht wird die Zubereitungs- und die eventuell noch folgende Wartezeit angegeben, ebenso die Schwierigkeit und die Kalorienzahl.

Tipps fürs Frikadellen-Machen: Das Magazin bietet Rezepte für klassische, aber auch für ungewöhnliche Gerichte (Foto: Bauer Verlag)

Vegane und vegetarische Gerichte tauchen ganz selbstverständlich auf, ums Thema bewusste Ernährung geht es aber selten. Eine daher fast unpassend wirkende Ausnahme ist das Porträt einer Veganerin, die zum Beispiel erzählt, dass sie auch schon mal was mit nichtveganen Männern hatte: “Die bekoche ich so lange gut, bis sie ihr Fleisch nicht mehr vermissen.”

Auf seinen 148 Seiten bietet das Heft neben den Rezepten durchaus netten Lesestoff: Es gibt einerseits kurze Küchen-, Bastel- und Ausgehtipps, in denen etwa erklärt wird, wie man aus 40 Weinkorken einen Pfannenuntersetzer baut oder wie man richtig mit Stäbchen isst. Anderseits gibt es mehrere längere Reportagen und Porträts.

Unterwegs mit dem Instagram-Kaffeefan

So zieht eine Redakteurin mit Bosch durch diverse Kaffeehäuser, einem Instagram-Nutzer, der auf dem Fotoportal eine Art Kaffee-Tagebuch führt. Ergänzt wird der Artikel mit Tipps zum Filterkaffee-Zubereiten. Am interessantesten fand ich das Porträt eines Profikochs, der sein Restaurant mitten in der schwedischen Einöde eröffnet hat.

Während solche Themen auch in Hefte wie das SZ Magazin passen würden, merkt man bei anderen Themen, wie deutlich Mutti kocht am besten auf junge Leute zielt. Vom durchgehenden Duzen abgesehen, wird das vor allem bei einzelnen Rezepten deutlich, wie dem für einen “Smoothie zum Klarkommen”. Und bei der Anleitung für den Käsekuchen steht gleich, dass man ihn unbedingt sonntags backen sollte: So lasse er sich Montag gleich mit in die Uni nehmen.

Mutti kocht am besten – ein Fazit

Insgesamt hat mich das Heft positiv überrascht: In Mutti kocht am besten finden sich tatsächlich einige Rezepte, die mich thematisch und durch gute Fotos ansprechen, und bei denen ich mir vorstellen kann, sie mithilfe des Hefts umzusetzen. Gut finde ich auch, dass es klassische Artikel gibt, so dass das Heft tatsächlich ein Magazin ist und mehr als eine reine Rezeptsammlung.

Noch eine Ausgabe werde ich mir wohl trotzdem nicht kaufen: Der Sprachstil ist einfach zu gewollt hip. Am liebsten hätte ich eine Light-Variante des Hefts: etwas übersichtlicher, mit ein paar Wortspielen weniger. Und den “fancy Shit” kann man gleich ganz weglassen.


Infos zum Heft

Mutti kocht am besten erscheint im Heinrich Bauer Verlag, der zum Beispiel auch hinter der Promi-Illustrierten People, dem Jugendmagazin Bravo und der Frauenzeitschrift Cosmopolitan steckt. Das Magazinkonzept stammt von Schülern der Bauer-Journalistenschule.

2015 erscheint Mutti kocht am besten vierteljährlich, letztes Jahr kamen zwei Ausgaben auf den Markt. Die Druckauflage liegt derzeit bei 125.000 Exemplaren.

Besprochen wurde die Ausgabe 1/2015. Sie hat 148 Seiten und kostet 4,50 Euro. Die Innenaufnahmen hat mir der Verlag zur Verfügung gestellt.


Entsorgt (8): Flatrate-App Readly – Print kann so stumpf sein

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Die Idee hinter der Magazinflatrate Readly mag ich. Man zahlt zehn Euro pro Monat und kann hunderte Ausgaben digital lesen. Ein Stück weit ist die App aber auch Negativwerbung: Sie zeigt, wie furchtbar eintönig viele Hefte sind.

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Individuelle Magazinauswahl bei Readly (wie alle Bilder eigener Screenshot aus der iPad-App): Manche Ausgaben ähneln sich sehr

Eigentlich sollte dieser Artikel ein kleiner Test zu Readly werden, einer Magazinflatrate, die ich im Oktober schon für Spiegel Online ausprobiert hatte. Damals war der Service für Plattformen wie Android und iOS gerade erst gestartet. Jetzt, nach einem halben Jahr, wollte ich nachschauen, ob die Auswahl und die Bedienung besser geworden sind.

Um es kurz machen: In meiner Testwoche habe ich fast keine Zeitschrift gelesen. Viel zu faszinierend fand ich Readlys Ausgaben-Archiv, mit dem sich zu jedem Titel eine Handvoll, manchmal auch dutzende alte Hefte abrufen lassen.

Ausnahmsweise sah ich so von Magazinen wie Maxi, TV Direkt und Mein Lieblingsrezept mal mehr als nur die aktuelle Ausgabe. Dabei verraten schon die Cover ziemlich viel über Machart der Zeitschriften. Teilweise wirkt es, als würde manche Redaktion Woche für Woche oder Monat für Monat dieselbe Ausgabe auf den Markt bringen.

Hier einige Erkenntnisse aus dem Readly-Archiv:

Das Wort jetzt ist sehr dehnbar

Cover Lieblingsrezept 1

Cover des Hefts Mein Lieblingsrezept (Originalreihenfolge): Immer acht Seiten mehr?

Als Journalist weiß ich, dass die Signalwörter “jetzt”, “nun” und “gerade” nicht unbedingt bedeuten, dass eine Nachricht oder Trend wirklich brandaktuell ist. Oft dienen sie schlicht als Leseanreiz oder werden genutzt, weil der Autor irgendetwas Älteres erst jetzt entdeckt hat.

Wie das Kochmagazin Mein Lieblingsrezept den Begriff “jetzt” nutzt, hat mich trotz dieser Abhärtung überrascht. Bei Readly gibt es 16 Ausgaben des Monatsmagazins, die seit Februar 2014 erschienen sind. Und auf jeder einzelnen Titelseite findet sich das Werbeversprechen “Jetzt neu: 8 Seiten mehr”. Das Hier und jetzt scheint nie vorbei zu sein.

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Noch mehr Cover (Originalreihenfolge): Dicker wurde das Heft seit dem Februar 2014 nicht

Und falls jemand vermutet, das Heft könnte vielleicht von Monat zu Monat acht Seiten dicker geworden sein: nichts da. Die Seitenzahl im Mai 2015 ist die gleiche wie im Februar 2014.

Die TV Direkt hat einen klaren Dresscode 

Cover der TV Direkt (Originalreihenfolge): Nicht ohne rotes Kleid

Cover der TV Direkt (Originalreihenfolge): Nicht ohne rotes Kleid

Darüber, dass sich Fernsehzeitschriften zum Verwechseln ähnlich sehen, wurde schon oft berichtet. Besonders austauschbar scheinen dabei die Ausgaben der TV Direkt zu sein. Bei dieser Fernsehzeitschrift ist das Covergirl zwar nicht immer, sondern nur meistens blond. Dafür ist ein rotes Kleid auf dem blauen Hintergrund absolute Pflicht. Bei Readly sind sämtliche 14 Titelbilder nach diesem Prinzip aufgebaut.

Immerhin motzt das Heft nicht über die Eintönigkeit des deutschen Fernsehens, sondern verspricht “Super Ostern im TV” und “neue Hit-Serien”.

 Fotografieren ist ein Männerhobby

Cover des Fachmagazins

Cover des Fachmagazins CanonFoto (Originalreihenfolge): Männerkopf auf ein Uhr

Hefte aus anderen Genres sind bei ihrer Titelgestaltung kaum kreativer: Vom Fachmagazin CanonFoto finden sich in der Flatrate-App sechs Ausgaben, deren Cover wie Variationen voneinander wirken. Je nach Jahreszeit sind die Männer, die durch den Sucher schauen, zumindest anders gekleidet.

So sehen also Lauras aus

Cover des Frauenhefts

Cover des Frauenhefts Laura (Originalreihenfolge): Stets der gleiche Typ Frau

Bei den Frauenzeitschriften blieb mir Laura im Gedächtnis. Auf dem Cover dieses Hefts landet offenbar stets der gleiche Typ Frau. Fast könnte man vermuten, es handle sich ausschließlich um Schwestern – oder manchmal sogar um dasselbe Model. Genauso wenig Abwechslung wie bei den Titel-Gesichtern bietet Laura bei den Schlagzeilen: Deren Bandbreite reicht von Schlankheitstipps über Abnehmideen bis zu Diätplänen.

Die Bella will immer abnehmen

Cover des Magazins

Cover des Magazins Bella (Auswahl): Hauptsache schlank

Genauso abnehmwütig wie die Laura ist die Bella. Von dieser Frauenzeitschrift gibt es bei Readly 35 Ausgaben, 33 davon widmen sich dem Thema. Dabei wird besonders der Begriff “schlank” ständig verwendet. Manchmal lockt das Heft mit “Denk dich schlank”, mal mit “Schlank ohne Stress”. Ab und zu wird auch “Zwei Kilo weg im Schlaf” versprochen.

Die Schöne Woche ist dauergeschockt

Cover der Frauenzeitschrift

Cover der Schönen Woche (Auswahl): Schockierende Ähnlichkeit bei den Titelzeilen

Das in Sachen Zeilenrecycling vielleicht schlimmste Heft ist Schöne Woche. In dem Klatschmagazin gibt es nicht nur immer wieder eine “Schockierende Enthüllung” über Prominente. Auch eine nicht näher konkretisierte “Schock-Nachricht”, die sich im Innenteil meistens als harmlos erweist, soll häufiger zum Kauf animieren.

Steffi Graf und Günther Jauch wurde kürzlich die fragwürdige Ehre zuteil, im Doppelpack gleich mit beiden Formulierungen bedacht zu werden – im Abstand von nur sechs Wochen.

WLAN-Probleme gehen immer

Cover des Hefts

Cover des Hefts PC Welt (Auswahl): Immer mal wieder “volle Power”

Themenwiederholungen gibt es aber nicht nur bei Klatsch- und Frauenzeitschriften. Bei der PC Welt zum Beispiel wüsste ich gar nicht, ob ich bei Internetproblemen zuerst die April-Ausgabe 2015 oder das September-Heft 2014 herunterladen soll – die Titelzeile “Volle Power für Ihr WLAN” jedenfalls ist die gleiche. Oder lohnt sich vielleicht eher ein Blick ins Juli-Heft 2014, “Ihr WLAN doppelt so schnell”?

Mit Maxi können sich Frauen gut fühlen

Cover der Zeitschrift

Cover der Zeitschrift Maxi (Auswahl): Die Leserin ist ganz sicher supertoll

Immerhin weiß ich mittlerweile, welche Hefte Frauen Diäten aufschwatzen wollen und welche wenig fordernd sind. Das Magazin Maxi etwa umschmeichelt potenzielle Käuferinnen. Seine Titelthemen lauten zum Beispiel “Du bist echt toll” und “Du bist eine tolle Frau”, “Ich bin gut, so wie ich bin” und – da wird es mir wirklich zu kitschig – “Ist das schön mit mir”. Dazu strahlt eine Frau um die 30 vom Cover.

Cover MyWay

Cover von MyWay (Auswahl): Fast immer positive Botschaften auf dem Titel

Ein Heft mit ähnlicher Leseransprache gibt es auch für ältere Frauen. MyWay erscheint mit Titelthemen wie “Schön, dass es dich gibt” und “Ich glaub an mich”. Mit der Zeile “Du bist eine richtig tolle Frau” ist MyWay sogar noch einen Tick netter als Maxi.

Digital gibt es manchmal weniger zu lesen

Cover mit weißen Flecken

Heftcover mit weißen Flecken: Digital gibt es manchmal nicht alles zu lesen

Weniger aufmunternd, sondern nur skurril wirkt manches Klatsch-Cover bei Readly. Einige Titelbilder haben weiße Färbungen, vermutlich sind hier die betroffenen Promis oder deren Verwandten und Bekannte gegen bestimmte Zeilen und Fotos vorgegangen. So darf man zum Beispiel bei Titelgeschichten über Helene Fischer und Joachim Löw rätseln, worum es eigentlich geht. Auch die Innenseiten helfen selten: Im Fall Löw ist die zugehörige Seite komplett weiß, dort gibt es nicht mal Bilder zu sehen. Seltsame digitale Printwelt.

 

Infos zum Flatrate-Dienst

Zum Schluss noch ein paar Gedanken zu Readly als Flatrate-Angebot:

  • Mit 9,99 Euro finde ich den Monatspreis okay, sofern man im jederzeit einsehbaren, mehrsprachigen Angebot genug spannende Hefte findet. Außerdem kann man jeden Monat kündigen.
  • Mich interessiert leider nur eine Handvoll von Titeln wirklich, etwa Making Games, ein Fachmagazin für Spieleentwickler. Die meisten Hefte sind Frauen- und Klatschmagazine aus den Häusern Funke und Bauer. Aus Deutschland sind etwas mehr als hundert Titel samt älteren Ausgaben verfügbar, außerdem gibt es Hefte aus dem Ausland. Die bekanntesten Readly-Hefte dürften die Bravo, die Hörzu und die TV Movie sein.
  • Die Navigation durch die Hefte fand ich selbst auf einem iPad wenig intuitiv, immer wieder reagiert die App verspätet oder unerwartet auf Eingaben.
  • Auf einem Smartphone fand ich das Lesen generell anstrengend, da der Bildschirm zu klein ist. Das ist ein Problem, weil man sich bei Readly quasi durch PDF-Seiten scrollt. Anders als in klassischen Magazin-Apps lassen sich Artikel nicht einzeln aufrufen.
  • Außerdem fehlen natürlich alle etwaigen Extras der Hefte, wie Sticker bei Frauenheften oder DVDs bei Spieleheften.
  • Gut finde ich, dass man bis zu 500 Ausgaben herunterladen kann, etwa für längere Bahnfahrten ohne Internetverbindung. Ebenso lassen sich Lesezeichen setzen und einzelne Seiten per E-Mail oder Facebook verschicken – hier ist mir aber die Rechtslage unklar.
  • Anders als bei meinem Test im Oktober gibt es mittlerweile eine Funktion, mit der sich die Hefttexte durchsuchen lassen.
  • Insgesamt wirkt Readly inhaltlich wie technisch jedoch noch immer unausgereift. Wer aber ein wenig in die Welt der Nischen- und Klatschhefte reinschnuppern will, kann mit den angebotenen 14 kostenlosen Probetagen nicht viel falsch machen.

Entdeckt (59): Camerawoman – Perfekt versteckt im Frauenregal

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Geht es nach den Verlagen, ist Fotografieren ein Männerhobby. Zumindest bis jetzt, da mit “Camerawoman” ein Magazin speziell für Frauen auf den Markt kommt. Fragt sich nur, ob die graue Erstausgabe überhaupt jemandem auffällt.

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Die Macher von Camerawoman haben ihr Heft mit einem kleinen Hinweiszettel ausliefern lassen. “Bitte platzieren Sie Camerawoman bei Brigitte, Cosmopolitan und Glamour“, heißt es darauf – ein Wunsch an den Zeitschriftenhändler, der nicht überall erfüllt wurde. So steht das neue Fotomagazin mal zwischen den Lifestyle- und mal zwischen den Kamerazeitschriften, auf denen selten Frauen auftauchen. Und wenn doch, dann bevorzugt leicht bekleidet.

“90 Prozent der Leser von Fotozeitschriften sind Männer”, sagt Jürgen Lossau, der Erfinder und Chef von Camerawoman. Im Editorial schreiben sein Team und er, man wolle ein Heft machen, “bei dem es mehr um Gestaltung, als um Technik geht”. Ein interessanter Ansatz, finde auch ich als männlicher Leser, der seine Spiegelreflexkamera vor allem im Automatikmodus nutzt.

Mit Blick auf die Erstausgabe bin ich aber skeptisch, ob sich Camerawoman auf dem Markt durchsetzen wird. Das fängt schon bei der Titelseite an. Sie hat keine richtige Schlagzeile, stattdessen wirbt das Heft damit, dass alle Fotostrecken von Frauen sind. Dazu fallen die Schlagworte Haustiere, Food-Fotografie, Fashion und Promis, eine Art Rundumschlag mit vermeintlichen Fraueninteressen. Originell ist anders.

Ein Making-of? Dazu?

Besonders schwach finde ich das Coverfoto: Eine Frau in Schwarz hält eine Olympus-Kamera ins Bild, frei von jeder Emotion und in Grautönen. Auch nach längerem Nachdenken fällt mir keine Möglichkeit ein, wie man sein Heft noch besser zwischen den bunten Frauentiteln verstecken kann – ausgerechnet im Sommer.

Bei Camerawoman wird man meine Bedenken wohl nicht teilen. Dafür spricht ein einseitiger Making-of-Artikel zum Titelfoto, in dem das Model erzählt, dass es nicht leicht ist, “die Olympus für die große Kamera ins rechte Licht zu rücken und dabei auch noch den richtigen Blick drauf zu haben.” Tatsächlich musste das Model mindestens drei Mal die Rolle der Produktpräsentiererin übernehmen, denn auf der ersten und letzten Innenseite des Hefts finden sich noch zwei ähnliche Motive. Schwarzes Kleid, Grautöne, dieselbe Kamera, ohne jeden Text.

Angesichts dieses Bildtrios überrascht es kaum, dass sich auf der Rückseite von Camerawoman noch eine Olympus-Anzeige befindet. Zu sehen ist dort dasselbe Kameramodell, mit dem Satz “Mein Style. Meine Bilder.” Bemerkenswert fand ich, dass die Kamera innerhalb des Hefts keine Bedeutung mehr hat – das konkrete Modell taucht weder im Testteil, noch in einer Fotostrecke auf. Eine Produktinszenierung zum Selbstzweck.

Untergehen mit einer Olympus-Kamera

Im Magazin hat allerdings noch ein anderes Olympus-Gerät seinen großen Auftritt: Am Heftbeginn werden Fotos aus einem Tauchurlaub gezeigt, zwei junge Frauen schwärmen von ihrer Unterwasserkamera. “Wir haben eine Kamera, bei der wir uns keinerlei Gedanken machen müssen, ob sie nass oder dreckig werden könnte oder runterfällt”, werden sie zitiert. “Durch unsere Armtasche mit Flexi-Band ist sie easy zu bedienen. Einfach perfekt für einen Urlaub, in dem man viel erleben will.”

Obwohl Camerawoman in Sachen Produkterwähnungen an andere Frauenmagazine erinnert, versucht das Heft, ein wenig Lesestoff zu bieten. Unter anderem porträtiert es eine Mutter und eine Tochter, die gemeinsam ein Reisefotoblog führen. Ebenso werden die Arbeit der Mode- und Porträtfotografin Esther Haase und eine Porträtserie über Obdachlose vorgestellt. Diese Artikel haben ansehnliche Bilder, inhaltlich hinterließen sie bei mir aber keinen bleibenden Eindruck.

Am ehesten lesenswert fand ich eine Reportage, die erklärt, wie die Essensfotos für das Magazin Essen & Trinken entstehen. Darin erfährt man zum Beispiel, dass Gerichte mithilfe eines Öl-Wasser-Gemischs frischer aussehen. Kein schlechter Tipp, läuft man doch üblicherweise Gefahr, mit seinen Essensfotos auf Spott-Blogs wie Amateurkochfotos und Cooksuck zu landen. Der Food-Fotografie-Artikel beinhaltet auch zwei Kochrezepte, vielleicht für den Fall, dass jemand das Gesehene gleich nachfotografieren will. Oder, weil Camerawoman doch ein wenig ein 08/15-Frauenmagazin sein will.

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Fototipp-Seite aus der Camerawoman: Das Heft rät zum Beispiel zu skurrilen Motiven

Willkommen im Poesiealbum

Anders als man angesichts des Bildstrecken-Hinweises denken könnte, stammen im Heft nur die Fotos größtenteils von Frauen. Bei den Texten überwiegen männliche Autoren: So wurden etwa alle Kameratests von Männern durchgeführt. Immerhin kommen die auf dem Titel beworbenen “33 Tipps für bessere Bilder” von einer Frau. Jener Artikel gehört zu einer Handvoll Servicetexte und besticht mit netten, aber unspektakulären Tipps.

“Sie trinken einen Tee und die Tasse hat zufällig genau die gleiche Farbe?”, heißt es etwa. “Basteln Sie sich ein Stillleben. Das ist persönlich und erinnert an einen schönen Moment.” Ebenso findet man grundlegende Hinweise zum Einsatz von Blitz und Blende. Bei einigen Bildern in anderen Texten liefert Camerawoman auch konkrete Angaben zur eingesetzten Blende, zum ISO-Wert und zur Verschlusszeit.

Manchen Artikel im Heft konnte ich nur mit höchster Selbstdisziplin zuende lesen. Dazu zählt ein Ratgeber zum Aufhängen von Bilder, der scheinbar maximal langweilig beginnt – “Wer Bilder hat, hat auch Wände” -, im Folgenden aber noch mehr anödet, mit Sätzen wie “Die Bestückung einer Wand folgt strengen Gestaltungsregeln” und “Der Rahmen gilt immer noch als das klassische Verfahren der Fotopräsentation”.

Buntes aus Amsterdam

Auch über andere Inhalte habe ich mich gewundert: Wieso werden fünfseitig Café-Besitzerinnen interviewt, ohne klaren Fotografiebezug? Weshalb stellt man Profifotografen vor, liefert aber kaum Praxistipps aus ihrem Erfahrungsschatz? Und warum finden sich mitten im Heft Reisetipps für Amsterdam – knallbunt und handgeschrieben, als hätte ein junges Mädchen sein Poesiealbum in meinem sonst schlicht gelayouteten Heft vergessen?

Ausgehtipps für Amsterdam: Bin ich hier im Poesiealbum gelandet?

Ausgehtipps für Amsterdam: Bin ich hier im Poesiealbum gelandet?

Wie eingeschmuggelt wirkt auch eine Doppelseite in der Heftmitte, auf der sich zahlreiche Zitate übers Fotografieren finden – ohne Einleitung, ohne Überschrift. Ärgerlich auch, dass einer der vier Kameratests – der eines Olympus-Modells – in erster Linie aus dem Aufzählen der Funktionen besteht.

Ansatzweise originell wirkt Camerawoman nur an zwei Stellen: Erstens bei einer Kolumne, in der eine Fotografin erzählt, dass sie die Ausrüstung für ihren Job gern im Reitsportgeschäft kauft. Ein ungewöhnlicher Ansatz und das offenbar so sehr, dass hier nicht mal konkrete Produkte genannt werden. Und zweitens ist da noch der Artikel, in dem Autor Ideen dafür liefert, wie sich Papierabzüge nachbehandeln lassen – mit Kaffee und Nagellackentferner, aber auch mit Spiritus, Zitronensäure und einer heißen Pfanne.

Warum genau man die Tipps umsetzen sollte, machen die zerstört aussehenden Beispielfotos zwar nicht deutlich, dafür findet sich im Text manch lustiger Satz: “Binsenweisheit: je mehr Gefahrensymbole auf der Flasche, umso spektakulärer der Effekt”, heißt es: “Vor allem Ätzendes liefert Fulminantes.” Bei dieser Passage war mir kurz nicht mehr klar, ob ich gerade eine Frauenzeitschrift lese oder doch ein Prollo-Magazin wie Beef oder Business Punk.

Camerawoman – ein Fazit

Dem kurzen Auflodern von Kreativität zum Trotz: Am Ende bleibt wenig hängen von Camerawoman. Es gibt keinen Artikel, den ich wirklich überraschend oder wenigstens unter Service-Gesichtspunkten empfehlenswert fand. Die Erstausgabe ist in vielerlei Hinsicht durchschnittlich – sprachlich wie von der Aufmachung her, und trotz dem ansprechenden Grundprinzip “Mehr Gestaltung als Technik”.

Unklar ist mir, warum sich Camerawoman nicht noch ein Stück weit radikaler von der Kameratechnik entfernt: Das Heft hätte eine noch größere Zielgruppe, wenn es zum Beispiel auch die Smartphone-Fotografie thematisieren würde. Stattdessen beschränkt es sich vor allem auf Kompaktkameras, und blendet so unter anderem Foto-Apps aus. So greift manche Gelegenheitsfotografin vielleicht doch eher zur Frauenzeitschrift nebenan im Regal, wo es zumindest ab und zu um Dinge wie die besten Instagram-Filter geht.


Infos zum Heft

Camerawoman erscheint seit Mai vierteljährlich. Das Magazin wird im Impressum als “Sonderpublikation des Fotomagazins Camera” bezeichnet.

Das Heft hat laut seinen Machern eine Druckauflage von 65.000 Exemplaren und bereits rund 2000 Abonnenten. Auf den Markt kommt Camerawoman in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Produktion des Hefts wurde durch ein Crowdfunding ermöglicht.

Besprochen wurde die Erstausgabe 1/2015. Sie hat 100 Seiten und kostet fünf Euro.

Offenlegung: In einer älteren Fassung dieses Artikels hieß es, alle Kameratests seien vom selben Autor geschrieben worden. Tatsächlich sind es zwei Autoren, ich habe die Passage entsprechend geändert.

Entsorgt (9): Killerzeilen – Wie Angelmagazine ihre Leser ködern

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Es geht immer noch aufregender und absurder: Wenige Hefte haben so denkwürdige Cover wie die Angelzeitschriften. Eine Schlagzeilen-Typologie der “AngelWoche”, vom B-Movie-Titel bis zum Holzhammer-Wortspiel.

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AngelWoche-Cover 25/2014: “Tock macht Bock” (alle hier gezeigten Fotos hat mir der Jahr Top Special Verlag zur Verfügung gestellt)

Den Glauben, Angeln sei ein entspannendes Hobby, habe ich am Bahnhofskiosk verloren. Neben den Jagd- und Hunde-Heften stehen dort die Angelmagazine und versuchen, trotz ewig gleicher Themen originell zu wirken. Das Angeln wird der männlichen Zielgruppe gern als Action-Erlebnis inszeniert – mit riesigen Fischen auf dem Cover, mit Wortspielen und Kraftausdrücken.

So denkwürdig diese Beispiel sind, die allerschrägsten Titelzeilen hat die AngelWoche. Diese “Deutsche Sportfischer Zeitung” erscheint trotz des Namens 14-tägig, was im Vergleich zu den Konkurrenzblättern aber häufig ist. Vermutlich erklären dieser Kreativdruck und ein Faible für den Boulevard-Journalismus, warum sich im Archiv so viele irrwitzige Ideen finden.

Von der Vielfalt der Titel fasziniert, habe ich im Folgenden eine achtteilige Typologie von AngelWoche-Schlagzeilen zusammengestellt – ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit.

1) Die Get-ready-to-rumble-Zeile

Was bei der AngelWoche immer geht, sind Action-Zeilen. Meiner Interpretation nach sind sie vor allem als Arschtritt für den Leser zu verstehen: Ausrüstung schnappen, ab an den Fluss und es dann krachen lassen, lautet der Subtext. Den passenden Artikel kann man lesen, wenn der Adrenalinspiegel wieder sinkt.

In die Kategorie Get-ready-to-rumble-Zeile fallen folgende Beispiele:

2) Die B-Movie-Zeile

Manchmal hat man beim Zeilenmachen das Glück, dass Themen auf einen konkreten Ort anspielen, mit dem viele Menschen Schönes (Mallorca) oder Stinkendes (Ruhrgebiet) verbinden. In solchen Fällen bietet sich die B-Movie-Zeile an, bei der eine Art Filmtitel erfunden wird. Wichtig: Den Filmnamen sofort schützen lassen, sonst könnte die Idee schneller als man denkt im RTL-Programm auftauchen.

Beispiele:

3) Die Fische-sind-Feinde-Zeile

Wenn man sich von Zeit zu Zeit entscheidet, Angeln ein wenig wie Krieg zu inszenieren, kann man auch gleich klassische Propaganda-Mittel nutzen. Bei einer Angelzeitschrift ist da vor allem das gezielte Diskreditieren der Gegenseite naheliegend. Fische sind nämlich keine Opfer, sondern die wirklich Bösen.

Beispiele:

4) Die Reim-muss-sein-Zeile

Natürlich kann man auch auf einen Klassiker des Schlagzeilenbastelns zurückgreifen – den Reim. Hier sind alle Varianten möglich, die einem aus dem Deutschunterricht noch einfallen, vom guten bis zum schlechten Reim vom Binnen- bis zum Endreim. Mit einem solchen Stilmittel wirken sogar unspektakuläre Titel ein wenig durchdachter.

Beispiele:

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5) Die Gute-Laune-Zeile

Während der Reim den Intellekt anspricht, soll die Gute-Laune-Zeile Gefühle wecken. Sie zielt also auf den Bauch statt den Kopf des potenziellen Käufers.

Die Gute-Laune-Zeile existiert in zwei Varianten. Die erste klingt naiv-enthusiastisch und setzt auf den Sprachstil eines Kindes:

Die zweite Variante dagegen soll Leser abholen, die das Wort “klasse” spätestens mit der Pubertät durch “geil” ersetzt haben – und denen auch “Knoblauch” zu kompliziert ist.

6) Die Bild-im-Kopf-Zeile

Um den Leser emotional aufzuwühlen, lässt sich auch eine Bild-Im-Kopf-Zeile einsetzen. Einen guten Einstieg bietet eine Lautmalerei wie beim hier gezeigten Beispiel. Kombiniert mit der Unterzeile “Die Zander klopfen an” denkt der Leser sofort an eine Abordnung wilder Zander, die sich im Morgengrauen gegen seine Zimmertür wirft, um ihn zum nächsten Fluss zu geleiten.

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Ist man sich als Blattmacher nicht sicher, ob die Lautmalerei verstanden wird, kann man sie in einer weiteren Zusatzzeile erklären, analog zu “Beim Biss macht’s Tock”. Und im Zweifel ist auch noch ein Halbsatz wie “Und Tock macht Bock” erlaubt, bevor der Leser vergisst, wie toll doch das Zander-Angeln ist. Voilà.

7) Die Mal-was-Anderes-Zeile

Da das Angeln von der Köder- bis zur Platzwahl ein kreatives Hobby ist, darf auch beim Magazinmachen experimentiert werden. Allein aus Gründen der Abwechslung sollte die Titelkonferenz alle paar Wochen mit einer verkopften oder stark verkürzenden Titelzeile enden.

Am Anfang des Spektrums steht dabei die philosophische Zeile:

Und am Ende die naturwissenschaftlich nicht zu haltende Formel:

8) Die Wortspiel-Zeile

Alle B-Movie-Ideen verballert und zu viel gereimt? Dann funktioniert natürlich immer noch die in Deutschland wohl beliebteste aller Überschriften, das Wortspiel. Hierbei ist zwischen mehreren Intensitätsgraden zu unterscheiden.

So gibt es etwa das absolut passende Wortspiel:

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Darauf folgt das okaye Wortspiel:

Dann kommt das erzwungene Wortspiel:

Und dann gibt es noch das Wortspiel um jeden Preis:

Nach einem solchen Holzhammer-Wortspiel sollte man beim nächsten Mal wieder den Wortspiel-Typ wechseln. Das kann dann zum Beispiel so klingen:

Bonus: Die Titten-Zeile Das Notfall-Cover

Und einen Tipp für den Notfall gibt es auch noch: Hat man einmal gar keine Zeilen-Idee, kann man einfach das Coverfoto für sich sprechen lassen. Muss ja wohl erlaubt sein, wenn die Konkurrenz sogar Karpfen-Erotik-Kalender bietet.


Anmerkung: Mit dem in diesem Artikel vielfach verlinkten Online-Shop Pressekatalog habe ich nichts zu tun, es handelt sich um keine Empfehlung. Ich verlinke das Angebot, weil man sich dort die hier zitierten AngelWoche-Cover im Großformat ansehen kann.

 

Entdeckt (60): Warum Ausmalhefte für Erwachsene nur konsequent sind

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Am Kiosk gibt es seit einiger Zeit Ausmalhefte für Erwachsene. So etwas zeigt, wie überfordert die Menschen sind, sagen einige, als gebe jede Freizeitbeschäftigung Einblicke in die Psyche. Ich finde, die Hefte passen perfekt zum Zeitschriftenmarkt.

ausmalheft

Ich würde sie ja gern testen, diese total neuen und total zeitgenössischen Ausmalhefte, die jetzt auch in Deutschland am Kiosk liegen. Blöd nur, dass es wirklich Malhefte sind, also Magazine, die aus nichts bestehen außer Bildern, die man ausmalen kann. Da gibt es eigentlich nichts zu bewerten, und nicht einmal eine zu schwach gedruckte Linie habe ich entdeckt.

Im Kioskregal stehen gerade unter anderem Mal’s dir aus!, Relaxen durch Malen und Geoscapes, alles Magazine mit Unterzeilen, die das jeweilige Heft als Produkt für Erwachsene ausweisen.

Die Hinweise sind nur Marketingkniffe, meines Wissens nach gibt man in keinem der Hefte Geschlechtsteilen oder Schnapsetiketten neue Farben. Lediglich die Komplexität der Motive variiert je nach Magazin, wobei ich bezweifle, dass die Bilder Kinder überfordern. Vermutlich malt ohnehin jeder Vorschüler präziser und ausdauernder aus als ich.

Im Magazin Mal’s dir aus! findet sich zum Beispiel dieses Bild, das eine mir nahestehende und tatsächlich erwachsene Person während einer Zugfahrt eingefärbt hat:

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Sie hatte Spaß, sagte die Testperson beim Wegpacken der Buntstifte, und mit so einem Satz könnte von mir aus die inhaltliche Auseinandersetzung mit Erwachsenen-Malheften enden.

Seltsame Kritik

Entsprechend absurd erscheint mir, dass sich Leute über das Phänomen wundern oder gar daran stören. Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung etwa hieß es – zu Erwachsenen, die Malbücher kaufen -, offenbar würden sich zahlreiche Menschen danach sehnen, keine Entscheidungen treffen zu müssen: “Und wenn sie mal eine treffen, soll sie bitte keinerlei Tragweite haben.”

Diesen Blick von außen halte ich für Quatsch. Allein, weil man beim Ausmalen schon aus der Sache heraus mehr entscheidet als etwa beim Serien gucken oder im Theater, wo man sich höchstens überlegen muss, ob man jetzt wirklich auf die Toilette geht und wenn ja, ob man sich gleich noch ein Glas Wein mitbringt. Ich glaube, es gibt einfach Leute, die früher gern ausgemalt haben – die mögen es noch immer – und welche, die das Ausmalen von Anfang an gelangweilt hat.

Von dieser These kann mich auch eine Verlagsmitarbeiterin nicht abbringen, deren Arbeitgeber Malbücher veröffentlicht. “Das Ausmalen ist eine Flucht vor der Selbstoptimierung, hinein in einen eigenen Flow, in dem es kein richtig oder falsch mehr gibt”, wird die Dame von der Nachrichtenagentur dpa zitiert, als wäre ganz normaler Spaß eine undenkbare Motivation.

Kinderhefte für Erwachsene, Erwachsenenhefte für Kinder

So wenig ich in den Malhefte-Trend hineininterpretieren würde, ich finde zumindest, dass die Hefte perfekt in den modernen Zeitschriftenmarkt passen, auf dem es bald gefühlt jedes Magazinkonzept für jede Zielgruppe gibt.

Achtjährige zum Beispiel können sich heute als Spiegel-Leser outen, hat das Nachrichtenmagazin doch wie Geo und die Zeit einen Ableger für Kinder:

kinderhefte

Und auch ein Nischen-Klassiker wie Wild und Hund versucht, “junge Jäger” mit einem Extra-Produkt anzuwerben:

wilde hunde

Frauenzeitschriften für Männer gibt es auch schon:

frauenhefte

Genau wie ein Erotikblatt für Frauen:

separee

Oder Technikhefte speziell für Senioren:

seniorenhefte

Oder ein einstiges Kinder- und Comicheft, das mittlerweile Erwachsene ansprechen soll:

yps

Und jedem, der sich ernsthaft über Ausmalhefte für Erwachsene aufregt, dem sei dieses Kinderheft ans Herz gelegt, mit einem echten Erwachsenen-Gimmick – einer Kreditkarte aus Plastik.

kreditkarte kinder

Und jetzt bitte alle Junggebliebenen weitermalen. Niemand muss, jeder darf.

Entsorgt (10): What would Cosmo do? Ein Sex-Tipp-Quiz

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Empfiehlt wirklich jemand einen “Grapefruit-Blowjob”? Und was müssen Typen beim Anbandeln mit Zwanzigjährigen beachten? Zehn Fragen zu Männer- und Frauengeschichten – mit Tipps aus den Heften “Cosmopolitan”, “Men’s Health” und “Joy”.

quizmagazine

Eins muss ich ja zugeben: Wenn ich irgendwo eine Frauenzeitschrift entdecke, kann ich nichts anders, als nachzulesen, “was Männer wirklich anmacht” oder welchen Sex “alle Männer wollen“. Bei mir siegt schlicht die Neugier, was die Macher des Heftes diesmal als Universalweisheit präsentieren. In der Liebe gibt es ja scheinbar im Monatstakt neue Trends und Erkenntnisse.

Männer wollen der neuesten “Cosmopolitan”-Ausgabe zufolge gerade Analsex, allesamt. Und dank der September-Ausgabe erfuhr man, dass Männer “nicht der Busen” anmacht, sondern ein “positives mindset”, eine bestimmte geistige Haltung.

Ähnlichen Inhalt liefern natürlich auch Männermagazine, mit Titelzeilen wie “So flirten Sie jede Frau kribbelig“. Durch Signalwörter wie “jede”, “alle” oder “wirklich” wecken die Themen eine gewisse Neugier; mal davon abgesehen, dass man bei zu starkem Kribbeln wohl lieber einen Arzt rufen sollte. Beim Lesen mancher Artikel frage ich mich, ob auch nur ein Redaktionsmitglied die Tipps befolgt, die sein Magazin veröffentlicht.

Das folgende Quiz versammelt Textstellen, die in den vergangenen Monaten in den Frauenmagazinen “Cosmopolitan” und “Joy” und im Männerheft “Men’s Health” erschienen sind. Wie leicht ist es, echte und erfundene Ratschläge an die Leser zu unterscheiden?

Hinweis: Die Auflösung sowie die nächste Frage finden sich jeweils auf der folgenden Seite.

Los geht es mit einer lockeren Einstiegsfrage. In einem der drei Magazine bekam man diesen Sommer recht detaillierte Ratschläge, wie man seinen Partner dazu bringt, “vor Lust zu seufzen”.

Frage 1 von 10: Welches Heft veröffentlichte diesen Artikel, aus dem auch die folgende Passage stammt? “Achten Sie beim Stöhnen unbedingt darauf, dass es nicht nach Zahnschmerzen oder Darmgrippe klingt. Also nicht leidvoll, sondern lustvoll!”

a) aus der “Cosmopolitan”
b) aus der “Joy”
c) aus der “Men’s Health”

Hier geht es zur Auflösung und zu Frage 2.

Entsorgt (6): Phänomen Sammelmagazine – 74 Wochen bis zum Dickdarm, 700 Euro für einen Globus

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Die erste Ausgabe ist supergünstig, dann wird es teuer: Kein Heftkonzept ist so absurd wie das der Sammelmagazine. Wer will über ein Jahr lang Teile für ein Körpermodell oder einen Globus sammeln? Wer braucht eine Riesenbaumwanze? Eine Abrechnung.

cover-sammlerhefte

Neulich habe ich mir ein Raumschiff und einen Skorpion gekauft. Wirklich. Beides waren Gimmicks in überdimensionaler Verpackung, in der sich als Anstandsbeilage jeweils ein Magazin versteckte. Ein Paket nennt sich Star Trek – Die offizielle Raumschiffsammlung, das andere aus dem Hause National Geographic heißt Echte Insekten – Krabbeltiere der Welt. 4,99 Euro hat das Star-Trek-Set gekostet, 1,99 Euro der rund ums Dschungelcamp im Fernsehen beworbene “Goldene China-Skorpion”. Dieser ist konserviert, aber echt, mit einem Begleitheft, das darüber aufklärt, wo bei so einem Spinnentier Herz und Hoden sitzen.

Beide Zeitschriften sind gerade gestartet und stehen für ein Konzept, das am Kiosk seit Jahren ein Schattendasein führt: die sogenannten Sammelmagazine. Das Prinzip dieser Hefte, die oft hinter der Theke stehen, ist immer gleich: Dem Leser wird Lust gemacht, eine Sammlung von irgendetwas aufzubauen, samt passender Begleitmagazine. Jede Woche, alle zwei oder jeden Monat erscheint dafür eine neue Ausgabe. Während das Einstiegsheft stets unfassbar günstig ist, wird es meist schon ab der zweiten Ausgabe teuer – und nervig.

Denn wie bei jeder Sammlung gilt: Unvollständig ist sie nur halb so toll – oder komplett sinnlos. Das habe ich schon als Kind gemerkt, als ich mich zum ersten und letzten Mal auf ein Sammelheft einließ. Anfang der Neunziger kaufte ich ein Magazin namens Dinosaurier, dem stets ein Teil eines T-Rex-Skeletts beilag. Das war auf den ersten Blick cool, erwies sich aber schnell als anstrengend.

Einerseits, weil das Skelett im Dunkeln leuchtete und deshalb nachts abgedeckt werden musste. Anderseits, weil es ewig dauerte, bis das Gerippe überhaupt interessant aussah – mit jeder neuen Ausgabe kamen ja nur ein paar neue Knochen. Als das Skelett komplett war, hatte ich jedenfalls genug. Auf die T-Rex-Außenhülle, die in den kommenden Wochen nach und nach geliefert werden sollte, verzichtete ich. Mein Dino blieb nackt.

700 Euro für einen Globus – und zwei Jahre Wartezeit

Aha

Erster Teil meines Globus: Auf den Eiffelturm folgen weitere Wahrzeichen

Auch heute gibt es Hefte, deren Beigaben für sich genommen nutzlos sind. Wöchentlich erscheinen derzeit Mein 3D Globus und seit dem Herbst So funktioniert dein Körper, beide mit einem Startpreis von 1,50 Euro und einem beeindruckenden Auftakt-Gimmick: dem Europa-Teil eines Globus beziehungsweise dem Schädel eines 1,10 Meter hohen Körpermodells.

Wie kundenfeindlich beide Konzepte sind, verraten die Infoflyer: Wer einen kompletten Globus samt allen Tieren und Wahrzeichen haben will, muss 100 aufeinanderfolgende Ausgaben des Magazins kaufen. Die zweite Ausgabe von Mein 3D Globus kostet schon 3,99 Euro, alle danach 6,99 Euro. Für einen mittelbeeindruckenden Plastikglobus muss man also rund 700 Euro investieren – und wegen des wöchentlichen Erscheinungsrhythmus fast zwei Jahre Wartezeit.

Bei So funktioniert dein Körper, von dem derzeit Ausgabe 21 am Kiosk liegt, ist es kaum besser: Hier braucht man 34 Ausgaben, bis das Skelett vollständig ist. Nach 80 Heften hat man dann auch alle Muskeln und das Verdauungssystem beisammen. Mit Heft 2 wird die linke Gehirnhälfte geliefert, mit Heft 75 der Dickdarm samt einigen Schrauben. Da ist die Vorfreude sicher schon jetzt groß. Mit Ausnahme des Starthefts kostet So funktioniert dein Körper 6,99 Euro, für das vollständige Modell muss man also über 550 Euro ausgeben. Nur konsequent, dass es im Übersichtsheftchen heißt: “Kein billiger Miniaturbausatz”.

Ein bisschen gruselig: Karton der ersten Ausgabe von So funktioniert dein Körper

Und auch die Magazinbeilage liefert mit 14 Seiten keinen großen Mehrwert: Artikel wie “Dein Beinknochen” und “So wächst dein Skelett” mögen zwar manchen Leser interessieren, optisch werden sie aber im Stil eines Schulbiologiebuchs präsentiert. Das Heft zum 3D-Globus wirkt mit 20 Seiten und netterer Aufmachung zumindest ein wenig ansprechend.

Viele Sammelhefte erscheinen international

Es gibt eine Handvoll Verlage, die auf die in der Regel anzeigenfreien Sammelhefte spezialisiert sind: Am bekanntesten ist wohl De Agostini, eine Verlagsgruppe mit Hauptsitz in Mailand, deren Werke wie Faszination Traktor-Legenden und die Bud Spencer & Terence Hill – Die große DVD-Collection laut Eigenwerbung in 46 Ländern erscheinen.

Auch die Konkurrenz ist international tätig: Der spanische Verlag RBA beliefert angeblich 49 Länder. Außer So funktioniert dein Körper und Echte Insekten hat er eine Mineraliensammlung im Programm. Eaglemoss aus Großbritannien veröffentlicht das Star-Trek-Set, aber auch eine Militäruhren-Sammlung. Von Hachette Collections aus Frankreich kann man Mein 3D Globus und das “Fluch der Karibik”-Set Bau die Black Pearl kaufen.

Zu den Auflagezahlen heißt es von De Agostini auf Anfrage, in Deutschland sei zuletzt Torten Dekorieren das meistverkaufte Sammelwerk des Verlags gewesen – bei der ersten Ausgabe habe die Druckauflage 400.000 Exemplaren betragen. Hachette schreibt, die Startauflage deutscher Sammlungen läge in der Regel im fünf- bis sechstelligen Bereich. Die hierzulande erfolgreichste Reihe sei Bau die Bismarck gewesen.

Bemerkenswert ist, wie Hachette für ein Abo von Mein 3D Globus wirbt: “Direktbesteller erhalten die Sammlung (…) direkt nach Hause geliefert – so müssen deine Eltern nicht durch die halbe Welt reisen”. Ein Satz voll Wahrheit, denn ein Sammelmagazin für sich oder sein Kind regelmäßig am Kiosk zu kaufen, ist nur Masochisten zu empfehlen. Irgendwann kommt eigentlich immer der Tag, an dem man die aktuelle Ausgabe verpasst, oder an dem sie der Kioskbesitzer jemand anderem verkauft, obwohl man sie per “Bitte zurücklegen”-Karte reserviert hatte.

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Mein Enterprise-Modell: Für 4,99 Euro günstig, für 14,99 Euro nicht mehr

So gesehen sind das Star-Trek- und das Insekten-Set dankbare Vertreter des Sammelmagazins: Weil die Extras nicht aufeinander aufbauen, ist es weniger schlimm, wenn eine Ausgabe vergriffen ist oder das Heft überraschend eingestellt wird. Teuer wird es aber auch für Raumschiff-Fans: Ab dem zweiten Star-Trek-Heft werden für jedes Modell samt 20-seitigem Magazin 14,99 Euro fällig.

85 Insekten-Hefte soll es geben

Für das nächste Heft von Echte Insekten, das neben vermutlich wieder 16 Seiten einen Japanischen Rosenkäfer und einen Präsentationskasten mitbringt, werden 8,99 Euro verlangt.

Bis 2016 sollen 85 Insekten-Hefte erscheinen, mit denen man sich eine Großschabe und eine Riesenbaumwanze nach Hause holen kann. Zur Herkunft der Insekten heißt es: “Alle Insekten und Spinnentiere dieser Sammlung wurden in speziell hierfür eingerichteten Farmen gezüchtet.” Auch stehe keins der Insekten unter Artenschutz oder sei vom Aussterben bedroht. Im Netz gibt es trotzdem eine Petition, die fordert, dass Echte Insekten vom Markt genommen wird. “Tiere sind keine Ware und kein Spielzeug!”, heißt es darin.

Passte nicht mal in meinen Rucksack: Die übergroße und hier bereits geöffnete Verpackung von Echten Insekten

Passte nicht in meinen Rucksack: Die übergroße und hier bereits geöffnete Verpackung der Startausgabe von Echte Insekten

Ich für meinen Teil werde keins der Hefte nochmal kaufen – und abonnieren sowieso nicht. Bei Echte Insekten schreckt mich schon die Prämie ab: Mit der dritten Lieferung bekommen Abonnenten eine konservierte Riesenvogelspinne, als “große Ergänzung für deine Sammlung”, was wörtlich gemeint ist: Die Spinne soll 14 Zentimeter lang und 11 Zentimeter breit sein. Ich habe erst letztens meine XXL-Urzeitkrebse aus dem Yps-Heft verschenkt. Mit angeblich bis zu acht Zentimetern Körpergröße waren sie mir zu gigantisch.

Hinweis: Eine etwas kürzere Version dieses Beitrags ist einen Tag vorher bei Spiegel Online erschienen, wo ich im Netzwelt-Ressort arbeite.

Entsorgt (7): Dämliche Wortspiele, unhaltbare Versprechen – Welche Hefte ich nicht kaufe

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Regelmäßig kaufe ich für dieses Blog Skurrilitäten. Doch bei manchen Magazinen ist schon das Cover oder Konzept so abschreckend, dass ich nicht mal im Heft blättern will. Fünf Beispiele, vom Computerheft ohne Website bis zur “InStyle Men”.

Großes Versprechen: Cover der Beilage des Magazins Computer, Ausgabe 3/2015

Großes Versprechen: Cover der Beilage des Magazins Computer, Ausgabe 3/2015

Wenn man diesem Blog eins nicht vorwerfen kann, dann mangelnde Abwechslung bei der Heftauswahl. In jetzt vier Jahren habe ich Dutzende Nischenhefte gekauft und gelesen, vom UFO– bis zum Teddybären-Magazin. Auch eine Sadomaso-Zeitschrift war Thema, bevor Shades of Grey ein weltweiter Bestseller und Hollywood-Blockbuster wurde.

Und längst nicht jedes Heft, das ich irgendwo mitnehme, wird besprochen: Aktuell liegen mir bei zum Beispiel Home-Defense-Magazine aus den USA herum, ein Nudisten-Magazin aus Großbritannien und das ebenfalls englischsprachige Heft The Best, Worst & Most Shocking Plastic Surgery, das sich auf 82 Seiten misslungenen Schönheitsoperationen widmet.

Es gibt aber auch Hefte, die ich nicht mal für mein Kuriositäten-Archiv kaufen würde – meistens, weil mich eine Kleinigkeit auf dem Cover so sehr stört, dass ich das Magazin  nicht mal aufschlage.

Fünf aktuelle Beispiele:

 1) Hefte, die offensichtlich Schwachsinn versprechen

Übertrieben wird auf vielen Magazin-Covern. Wo es heißt “Alles über …”, steht nie alles drin. Und auch wer “Nie wieder …” liest, muss damit rechnen, dass der Rückenschmerz, das Rauchen oder das Singlesein trotz Lesens des Artikels zurückkommt.

Doch es gibt Versprechen, die noch offenkundiger Quatsch sind – etwa in Computerzeitschriften. Gerade liegt am Kiosk ein Heft, dessen Booklet mit dem Satz “Alle PC-Probleme mit 1-Klick lösen” lockt (siehe Bild oben). Selbst als Computerlaie sollte man darauf nicht reinfallen. Es reicht, das Booklet aufzuklappen und eine beliebige Stelle zu lesen. Praktisch jede Anleitung zum Problemlösen hat mehrere Schritte, etwa: Sichern Sie Daten. Tippen Sie etwas ein. Drücken Sie auf diese und jene Schaltfläche. Und schließen Sie das Fenster. Nur im Traum geht das mit einem Klick.

Dass mich die Titelzeile so ärgert, mag davon befeuert werden, dass das Booklet auf einer Computerzeitschrift klebt, die nicht mal eine Website hat. Das Heft nennt sich Computer, die Unterzeile “Das Magazin für die Praxis” ist fast der kleinstgeschriebene Text auf der gesamten Titelseite. Ich habe ernsthaft ins Impressum des Hefts geguckt, um herauszufinden, wie es heißt. Den Namen Computer hielt ich für abwegig.

Voller geht kaum: Cover des Magazins Computer, Ausgabe 3/2105

Voller geht kaum: Cover des Magazins Computer, Ausgabe 3/2105

Das Titelbild ist bei jeder Ausgabe so vollgeklatscht. Ein Rätsel, wen das ansprechen soll. Zu allem Überfluss hat das aktuelle Cover noch mehr dämliche Versprechen zu bieten: In der Seitenspalte heißt es zu einem Programm “Macht jeden PC mit nur 1-Klick wie neu”. Und bei der Bewerbung der Rettungs-CD finden sich die Hinweise “Behebt PC-Fehler sofort mit 1-Klick” und “Findet und löscht sofort alle Viren”. Schade, dass man Computer nicht mit einem Klick aus dem Kiosk löschen kann.

2) Hefte, die mich über ihre Sprache rätseln lassen

Seit langem nerven mich Hefte für mehrere Sprachräume. Es gibt wenig Überflüssigeres, als deutsche Magazintexte neben denen exakt dasselbe nochmal auf Englisch steht. Ärgerlich fand ich das schon vor Jahren bei InGraphics, einer Art Datenjournalismus-Zeitschrift, deren Ausgaben mit schicken wie informativen Infografiken locken. Vermutlich Kostengründe haben die Macher jedoch bewogen, ihre Grafiken sowohl in Deutsch, als auch in Englisch zu betexten – was sie unnötig textlastig macht.

Noch bekloppter als zweisprachige Hefte sind Magazine, bei denen ich drei Mal hingucken muss, um überhaupt die Sprache zu erkennen. In Hamburger Kiosken wird gerade ein Mode- und Lifestyle-Magazin von Unger Fashion prominent beworben:

Halb englisch, halb deutsch: Cover des neuesten Unger-Magazins

Halb englisch, halb deutsch: Cover des neuesten Unger-Magazins

Obwohl ich selbst gern englische Phrasen verwende: So gehäuft wirken Formulierungen wie “Pretty Sporty”, “Super Natural”  und “Coolest Jewels” in einem deutschsprachigen Magazin dann doch peinlich. Und die Ahnung, dass es innen nicht besser wird, tut ihr Übriges. Get Away, U.

3) Hefte mit dämlichen Wortspielen auf dem Titel

Eine andere gute Möglichkeit, mich vom Heftkauf abzuhalten, sind dämliche und möglichst prominent platzierte Wortspiele. “Nicht euer Ernst” habe ich zum Beispiel bei einem DVD-Angebot der Zeitschrift Computer Bild gedacht, das mit dem Slogan “Alles im Überklick” beworben wird:

Alle Ausgaben 2014 auf einer DVD: Dieses Paket der Computer Bild gibt es gerade im Handel

Alle Ausgaben 2014 auf einer DVD: Dieses Paket der Computer Bild gibt es gerade im Handel

Ein so schlechtes Wortspiel, dass das Magazin es wohl aus purer Lust am Provozieren mindestens seit 2001 benutzt, Jahr für Jahr.

4) Hefte mit Überschriften im Heftig-Stil

Definitiv verabscheuungswürdig sind Magazine, die das sogenannte Clickbaiting im Print nachahmen. In Deutschland spricht man bei Zeilen wie “Ein Engländer erklärt, wie man Deutscher wird. Nr. 8 ist zum Schreien” gern vom Heftig-Stil, weil das Portal Heftig.co fast ausschließlich solche Locküberschriften einsetzt, um Leser zum Klicken auf seine Artikel zu bringen.

Im Zeitschriftenladen ist mir diese verzweifelte Art, Geschichten anzupreisen, beim Frauenmagazin Petra begegnet:

Cover der aktuellen Petra-Ausgabe: 22 Ideen, die den Sommer richtig rocken

Cover der vorletzten Petra-Ausgabe: “22 Ideen, die den Frühling richtig rocken – Die Nummer 7 finden wir genial”

Absurd finde ich die Zeile, weil das Clickbaiting im Print gar nicht richtig funktioniert – zumindest, solange das Heft nicht eingeschweißt ist. Man kann es einfach aufschlagen und nachlesen, warum Grund 7 “genial” ist. Anders als bei Online-Medien, wo jeder Klick gut fürs Anzeigengeschäft ist, verdient der Verlag daran keinen Cent. Der spätere Käufer des Hefts wundert sich höchstens über Fingerabdrücke anderer Leute.

Im Sinne der Hygiene wage ich es an dieser Stelle zu spoilern: Die vermeintlich geniale Idee ist es, Gerichte zu kochen, für deren Zubereitung ein einziger Topf reicht. Weitere Tipps, die “richtig rocken”, sind “Putzengel buchen” und “Ganz spontan wegfahren”. Nur konsequent, dass der Artikel genauso enttäuscht wie typische Heftig-Artikel.

5) Hefte, die wie Werbekataloge aussehen

Neben Heften, die mich inhaltlich ansprechen, aber stilistisch abstoßen, gibt es Magazine, bei denen ich das komplette Konzept verachte. Exemplarisch sei hier InStyle Men genannt, die Männervariante der Frauenmodezeitschrift InStyle. Das Heft versucht gar nicht erst schick zu sein, sondern wirkt größtenteils wie ein billig gemachter Katalog eines Händlers von teuren Klamotten.

Auf 142 Seiten finden sich unzählige Produkte, vom “Disney’s Pinocchio”-Samtslipper für 290 Euro bis zum Dinnerjacket für 3800 Euro (“Unsere Best-Buy-Empfehlung”). Da dürfen natürlich auch Modestrecken nicht fehlen, in denen die Kette eines Models 58.000 Euro kostet. Was in InStyle Men präsentiert wird, ist natürlich “Krass gut”, wie das lieblos gemachte Cover verspricht, das man trotz David Beckham unmittelbar nach dem Hinschauen wieder vergisst.

David Beckham als Coverboy; Aktuelle Titelseite des Magazins Instyle Men

David Beckham als Coverboy: Aktuelle Titelseite des Magazins Instyle Men

Auch abseits der Einkaufstipps findet sich in InStyle Men für mich nichts Interessantes. Ab dem zweiten Heftdrittel gibt es zwar Interviews, aber die wirken schon beim Querlesen öde. Schauspieler Hardy Krüger Jr. zum Beispiel wird gefragt, ob man ihn “eigentlich auch mal ohne perfekt sitzende Gelfrisur” sieht.

Noch belangloser ist da nur ein Selbstversuch, bei dem ein Redakteur wissen will, “wie es sich anfühlt, so hypercool zu sein wie ein Streetstyle-Star”. Dafür lässt er sich einen Vollbart ankleben, die Haare gelen und den Hals mit künstlichen Tattoos bekleben. “Maskenbildnerin Caterina […] findet mich danach ‘ziemlich geil'”, schreibt er. Gegen so ein Heft ist selbst GQ ein Genuss.

Und zum Schluss noch ein Fundstück

Ich laufe aber natürlich nicht nur fluchend durch den Kiosk. Manchmal stoße ich beim Durchblättern von Magazinen auch auf Stellen, die mich amüsieren. Dazu zählte in letzter Zeit zum Beispiel diese Frage-Antwort-Kombination:

Ausschnitt aus der Women's Health 3/2015, Seite 119

Nur den wichtigen Frageteil beantwortet: Ausschnitt aus der Women’s Health 3/2015, Seite 119

Der Ausschnitt stammt aus der Leserfragen-Kolumne “Der Kerl redet Klartext” aus der Women’s Health, dem Men’s-Health-Pendant für Frauen. Das Magazin hatte ich mal unter der Überschrift “Zeitlos langweilig” rezensiert. Finde ich bemerkenswert und auch inhaltlich angemessen, dass solch eine Antwort in einem Frauenmagazin erscheint.

Lesetipp: Im März 2011 hatte ich schon mal zehn Dinge aufgeschrieben, die ich an Magazinen hasse.


Entdeckt (58): Mutti kocht am besten – Fancy Shit und creamy-dreamy Sahnesoße

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Wie macht man Red Hot Chili Peppers mit Lachs? “Mutti kocht am besten” soll jungen Leuten das Kochen näherbringen – mit appetitlichen Fotos und Anspielungen auf Bands und Serien. Ein guter Ansatz, wäre die Sprache einfach nur normal.

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Ich bin keine Koch-Null, aber kaum besser. Grundlegendes kriege ich hin, aber sobald in einem Rezept Begriffe wie Blanchieren und Pochieren auftauchen, brauche ich Google. Da hilft es auch nicht, dass ich vor längerer Zeit bei einem Kochkurs mitgemacht habe, in der Hoffnung, mein Wissen auszubauen und dort nette Singlefrauen zu treffen.

Nach fünf Wochen beherrschte ich nur zwei, drei neue Gerichte, kannte aber immerhin einige ältere Mittvierziger, in deren Alltag es seit kurzem keine Ehefrau und damit auch keine Küchenaktivität mehr gab. In den Vorgängerkursen sei das Geschlechterverhältnis oft ausgeglichen gewesen, behauptete unsere Lehrerin, die einzige Frau im Raum.

Um meine Essenspalette mal wieder zu erweitern, habe ich neulich Mutti kocht am besten gekauft, ein Heft, dessen Facebook-Slogan mich eindeutig als Zielgruppe ausweist. “Das Kochmagazin für alle, die eigentlich nicht kochen”, lautet der Werbespruch – das Heft soll Laien erklären, wie man Küchenklassiker zubereitet. Basics statt Blanchieren. Da schreckte es mich auch nicht ab, dass die Titelzeile “Na, du Nudel!” hingeschlampt wirkt und außerdem an Beef erinnert. Das Magazin für Fleischfans lag neulich mit dem Titel “Ey, Keule” am Kiosk.

Willkommen im “House of Tartes”

Beim ersten Durchblättern macht Mutti kocht am besten einen guten Eindruck. Die Fotos sind durchweg appetitlich, die Bandbreite der Gerichte reicht von Spaghetti Bolognese über Wiener Backhendl bis zum veganen Linsen-Kokos-Curry. Einige der klassischen Gerichte sprachen mich auf Anhieb an, etwa mehrere Frikadellen- und Rührei-Varianten.

Und dann gibt es noch einige Dinge, die nie in der Küche meiner Mutter aufgetaucht sind, die aber zumindest ein witziges Partymitbringsel sind. Wie wär’s mit Sandwiches mit Chips-Belag oder mit einer Süßigkeiten-Pizza, voll mit Oreo-Krümmeln, Twix-Stücken und Raffaello-Trümmern?

An vielen Stellen im Heft finden sich Anspielungen auf Serien und Bands. Unter dem Stichwort “House of Tartes” werden etwa Kuchen-Ideen für Fans der Serie House of Cards präsentiert. An anderer Stelle werden Bandnamen nachgebaut: Es gibt Red Hot Chili Peppers mit saftigem Lachs und Black Eyed Peas auf Avocado-Mango-Salat. Per QR-Code lässt sich jeweils eine passende Spotify-Playlist aufrufen. Nette Ideen, die mich tatsächlich in meiner Lebenswelt abholen.

Kuchen-Rezepte, die zu “House of Cards” passen: Im Heft finden sich diverse Anspielungen auf Songs und Serien (Foto: Bauer Verlag)

Ich fühle mich alt

Es gibt aber auch Momente, in denen ich mit dem Heft fremdle. Der Sprachstil zum Beispiel nervt. Zubereitungshinweise enden gern mit Kommentaren wie “fancy Shit”, “Dazu schmeckt Reis ganz nice” oder “Komplett auskühlen und Bite für Bite vernaschen”. Ein Törtchen ist “sündig, edel und delicious”, eine gefüllte Avocado ein “hammermäßiges Powergericht”.

Gefüllte Tortillas “flashen” mit ihrer “creamy-dreamy Sahnesoße”. Es geht um “Hangover-Food” und um “upgecycelte DIY-Deko”. Wein heißt “Vino”, Plastikfiguren sind “Designer Toys”. Und “Brutzelstars” hauen “eiskalt” ihre Rezepte für “drei echt heiße Nummern” raus.

Dass ich mich beim Lesen alt fühle, ist eine beachtliche Leistung für ein Heft mit Retrotitel. Vielleicht ist meine Reaktion aber auch normal und die Macher haben die Begriffe nur in einer Werbeagentur aufgeschnappt, die gerade eine Kampagne für Hipster entwirft. Auf der Verlagswebsite heißt es, Mutti kocht am besten richte sich an eine junge Zielgruppe, die “kreativ, unisex und urban ist”. Durch den lockeren Ton werde klar, dass Mutti nicht auf den Mund gefallen ist. Ah ja.

Wortspiele auf fast jeder Seite

Überhaupt scheint die Mutti-Redaktion ihre Kreativität kaum bremsen zu können. Es gibt im Heft witzige Wortspiele, aber da auf fast jeder Seite Formulierungen wie “Yes, we candy!”, “Reis, Reis, Baby!” und “Pimp your TK-Gemüse” auftauchen, wurde es mir schnell zu viel.

“You’ll never wok alone” zum Beispiel ist eine nette Überschrift für eine Rezeptstrecke zum Thema Asia-Karaoke. Aber müssen wirklich noch diverse ähnliche Anspielungen folgen, wie “Wok it, Baby!”, “Sing like a Wokstar!” und “We’re wok all night to get lucky”? Meins ist das nicht, genauso wenig wie eine Gerichtvorstellung, die mit “Verstehst du nur Banh-hof? Banh Mi ist ein belegtes Baguette” beginnt.

Auch bei der Optik übertreibt es das Heft manchmal. Das Layout ist eigentlich gut, es gibt viele nette Design-Ideen, von handschriftlichen Notizen über “Nomnom”-Sprechblasen von Plastikfiguren bis zu Emojis, die in einem Chatprotokoll auftauchen. Mitunter findet sich aber schlicht zu viel davon in einem Artikel, was einige Seiten überladen wirken lässt.

Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit Bildern

Immerhin überzeugt das Heft mit seinem wichtigsten Inhalt, den Rezepten. Sie sind verständlich geschrieben, ausreichend detailliert und zum Glück nüchterner formuliert. Ein Teil der Gerichte wird mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung in Bildern präsentiert, was ich extrem hilfreich finde. Zu jedem Gericht wird die Zubereitungs- und die eventuell noch folgende Wartezeit angegeben, ebenso die Schwierigkeit und die Kalorienzahl.

Tipps fürs Frikadellen-Machen: Das Magazin bietet Rezepte für klassische, aber auch für ungewöhnliche Gerichte (Foto: Bauer Verlag)

Vegane und vegetarische Gerichte tauchen ganz selbstverständlich auf, ums Thema bewusste Ernährung geht es aber selten. Eine daher fast unpassend wirkende Ausnahme ist das Porträt einer Veganerin, die zum Beispiel erzählt, dass sie auch schon mal was mit nichtveganen Männern hatte: “Die bekoche ich so lange gut, bis sie ihr Fleisch nicht mehr vermissen.”

Auf seinen 148 Seiten bietet das Heft neben den Rezepten durchaus netten Lesestoff: Es gibt einerseits kurze Küchen-, Bastel- und Ausgehtipps, in denen etwa erklärt wird, wie man aus 40 Weinkorken einen Pfannenuntersetzer baut oder wie man richtig mit Stäbchen isst. Anderseits gibt es mehrere längere Reportagen und Porträts.

Unterwegs mit dem Instagram-Kaffeefan

So zieht eine Redakteurin mit Bosch durch diverse Kaffeehäuser, einem Instagram-Nutzer, der auf dem Fotoportal eine Art Kaffee-Tagebuch führt. Ergänzt wird der Artikel mit Tipps zum Filterkaffee-Zubereiten. Am interessantesten fand ich das Porträt eines Profikochs, der sein Restaurant mitten in der schwedischen Einöde eröffnet hat.

Während solche Themen auch in Hefte wie das SZ Magazin passen würden, merkt man bei anderen Themen, wie deutlich Mutti kocht am besten auf junge Leute zielt. Vom durchgehenden Duzen abgesehen, wird das vor allem bei einzelnen Rezepten deutlich, wie dem für einen “Smoothie zum Klarkommen”. Und bei der Anleitung für den Käsekuchen steht gleich, dass man ihn unbedingt sonntags backen sollte: So lasse er sich Montag gleich mit in die Uni nehmen.

Mutti kocht am besten – ein Fazit

Insgesamt hat mich das Heft positiv überrascht: In Mutti kocht am besten finden sich tatsächlich einige Rezepte, die mich thematisch und durch gute Fotos ansprechen, und bei denen ich mir vorstellen kann, sie mithilfe des Hefts umzusetzen. Gut finde ich auch, dass es klassische Artikel gibt, so dass das Heft tatsächlich ein Magazin ist und mehr als eine reine Rezeptsammlung.

Noch eine Ausgabe werde ich mir wohl trotzdem nicht kaufen: Der Sprachstil ist einfach zu gewollt hip. Am liebsten hätte ich eine Light-Variante des Hefts: etwas übersichtlicher, mit ein paar Wortspielen weniger. Und den “fancy Shit” kann man gleich ganz weglassen.


Infos zum Heft

Mutti kocht am besten erscheint im Heinrich Bauer Verlag, der zum Beispiel auch hinter der Promi-Illustrierten People, dem Jugendmagazin Bravo und der Frauenzeitschrift Cosmopolitan steckt. Das Magazinkonzept stammt von Schülern der Bauer-Journalistenschule.

2015 erscheint Mutti kocht am besten vierteljährlich, letztes Jahr kamen zwei Ausgaben auf den Markt. Die Druckauflage liegt derzeit bei 125.000 Exemplaren.

Besprochen wurde die Ausgabe 1/2015. Sie hat 148 Seiten und kostet 4,50 Euro. Die Innenaufnahmen hat mir der Verlag zur Verfügung gestellt.

Entsorgt (8): Flatrate-App Readly – Print kann so stumpf sein

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Die Idee hinter der Magazinflatrate Readly mag ich. Man zahlt zehn Euro pro Monat und kann hunderte Ausgaben digital lesen. Ein Stück weit ist die App aber auch Negativwerbung: Sie zeigt, wie furchtbar eintönig viele Hefte sind.

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Individuelle Magazinauswahl bei Readly (wie alle Bilder eigener Screenshot aus der iPad-App): Manche Ausgaben ähneln sich sehr

Eigentlich sollte dieser Artikel ein kleiner Test zu Readly werden, einer Magazinflatrate, die ich im Oktober schon für Spiegel Online ausprobiert hatte. Damals war der Service für Plattformen wie Android und iOS gerade erst gestartet. Jetzt, nach einem halben Jahr, wollte ich nachschauen, ob die Auswahl und die Bedienung besser geworden sind.

Um es kurz machen: In meiner Testwoche habe ich fast keine Zeitschrift gelesen. Viel zu faszinierend fand ich Readlys Ausgaben-Archiv, mit dem sich zu jedem Titel eine Handvoll, manchmal auch dutzende alte Hefte abrufen lassen.

Ausnahmsweise sah ich so von Magazinen wie Maxi, TV Direkt und Mein Lieblingsrezept mal mehr als nur die aktuelle Ausgabe. Dabei verraten schon die Cover ziemlich viel über Machart der Zeitschriften. Teilweise wirkt es, als würde manche Redaktion Woche für Woche oder Monat für Monat dieselbe Ausgabe auf den Markt bringen.

Hier einige Erkenntnisse aus dem Readly-Archiv:

Das Wort jetzt ist sehr dehnbar

Cover Lieblingsrezept 1

Cover des Hefts Mein Lieblingsrezept (Originalreihenfolge): Immer acht Seiten mehr?

Als Journalist weiß ich, dass die Signalwörter “jetzt”, “nun” und “gerade” nicht unbedingt bedeuten, dass eine Nachricht oder Trend wirklich brandaktuell ist. Oft dienen sie schlicht als Leseanreiz oder werden genutzt, weil der Autor irgendetwas Älteres erst jetzt entdeckt hat.

Wie das Kochmagazin Mein Lieblingsrezept den Begriff “jetzt” nutzt, hat mich trotz dieser Abhärtung überrascht. Bei Readly gibt es 16 Ausgaben des Monatsmagazins, die seit Februar 2014 erschienen sind. Und auf jeder einzelnen Titelseite findet sich das Werbeversprechen “Jetzt neu: 8 Seiten mehr”. Das Hier und jetzt scheint nie vorbei zu sein.

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Noch mehr Cover (Originalreihenfolge): Dicker wurde das Heft seit dem Februar 2014 nicht

Und falls jemand vermutet, das Heft könnte vielleicht von Monat zu Monat acht Seiten dicker geworden sein: nichts da. Die Seitenzahl im Mai 2015 ist die gleiche wie im Februar 2014.

Die TV Direkt hat einen klaren Dresscode 

Cover der TV Direkt (Originalreihenfolge): Nicht ohne rotes Kleid

Cover der TV Direkt (Originalreihenfolge): Nicht ohne rotes Kleid

Darüber, dass sich Fernsehzeitschriften zum Verwechseln ähnlich sehen, wurde schon oft berichtet. Besonders austauschbar scheinen dabei die Ausgaben der TV Direkt zu sein. Bei dieser Fernsehzeitschrift ist das Covergirl zwar nicht immer, sondern nur meistens blond. Dafür ist ein rotes Kleid auf dem blauen Hintergrund absolute Pflicht. Bei Readly sind sämtliche 14 Titelbilder nach diesem Prinzip aufgebaut.

Immerhin motzt das Heft nicht über die Eintönigkeit des deutschen Fernsehens, sondern verspricht “Super Ostern im TV” und “neue Hit-Serien”.

 Fotografieren ist ein Männerhobby

Cover des Fachmagazins

Cover des Fachmagazins CanonFoto (Originalreihenfolge): Männerkopf auf ein Uhr

Hefte aus anderen Genres sind bei ihrer Titelgestaltung kaum kreativer: Vom Fachmagazin CanonFoto finden sich in der Flatrate-App sechs Ausgaben, deren Cover wie Variationen voneinander wirken. Je nach Jahreszeit sind die Männer, die durch den Sucher schauen, zumindest anders gekleidet.

So sehen also Lauras aus

Cover des Frauenhefts

Cover des Frauenhefts Laura (Originalreihenfolge): Stets der gleiche Typ Frau

Bei den Frauenzeitschriften blieb mir Laura im Gedächtnis. Auf dem Cover dieses Hefts landet offenbar stets der gleiche Typ Frau. Fast könnte man vermuten, es handle sich ausschließlich um Schwestern – oder manchmal sogar um dasselbe Model. Genauso wenig Abwechslung wie bei den Titel-Gesichtern bietet Laura bei den Schlagzeilen: Deren Bandbreite reicht von Schlankheitstipps über Abnehmideen bis zu Diätplänen.

Die Bella will immer abnehmen

Cover des Magazins

Cover des Magazins Bella (Auswahl): Hauptsache schlank

Genauso abnehmwütig wie die Laura ist die Bella. Von dieser Frauenzeitschrift gibt es bei Readly 35 Ausgaben, 33 davon widmen sich dem Thema. Dabei wird besonders der Begriff “schlank” ständig verwendet. Manchmal lockt das Heft mit “Denk dich schlank”, mal mit “Schlank ohne Stress”. Ab und zu wird auch “Zwei Kilo weg im Schlaf” versprochen.

Die Schöne Woche ist dauergeschockt

Cover der Frauenzeitschrift

Cover der Schönen Woche (Auswahl): Schockierende Ähnlichkeit bei den Titelzeilen

Das in Sachen Zeilenrecycling vielleicht schlimmste Heft ist Schöne Woche. In dem Klatschmagazin gibt es nicht nur immer wieder eine “Schockierende Enthüllung” über Prominente. Auch eine nicht näher konkretisierte “Schock-Nachricht”, die sich im Innenteil meistens als harmlos erweist, soll häufiger zum Kauf animieren.

Steffi Graf und Günther Jauch wurde kürzlich die fragwürdige Ehre zuteil, im Doppelpack gleich mit beiden Formulierungen bedacht zu werden – im Abstand von nur sechs Wochen.

WLAN-Probleme gehen immer

Cover des Hefts

Cover des Hefts PC Welt (Auswahl): Immer mal wieder “volle Power”

Themenwiederholungen gibt es aber nicht nur bei Klatsch- und Frauenzeitschriften. Bei der PC Welt zum Beispiel wüsste ich gar nicht, ob ich bei Internetproblemen zuerst die April-Ausgabe 2015 oder das September-Heft 2014 herunterladen soll – die Titelzeile “Volle Power für Ihr WLAN” jedenfalls ist die gleiche. Oder lohnt sich vielleicht eher ein Blick ins Juli-Heft 2014, “Ihr WLAN doppelt so schnell”?

Mit Maxi können sich Frauen gut fühlen

Cover der Zeitschrift

Cover der Zeitschrift Maxi (Auswahl): Die Leserin ist ganz sicher supertoll

Immerhin weiß ich mittlerweile, welche Hefte Frauen Diäten aufschwatzen wollen und welche wenig fordernd sind. Das Magazin Maxi etwa umschmeichelt potenzielle Käuferinnen. Seine Titelthemen lauten zum Beispiel “Du bist echt toll” und “Du bist eine tolle Frau”, “Ich bin gut, so wie ich bin” und – da wird es mir wirklich zu kitschig – “Ist das schön mit mir”. Dazu strahlt eine Frau um die 30 vom Cover.

Cover MyWay

Cover von MyWay (Auswahl): Fast immer positive Botschaften auf dem Titel

Ein Heft mit ähnlicher Leseransprache gibt es auch für ältere Frauen. MyWay erscheint mit Titelthemen wie “Schön, dass es dich gibt” und “Ich glaub an mich”. Mit der Zeile “Du bist eine richtig tolle Frau” ist MyWay sogar noch einen Tick netter als Maxi.

Digital gibt es manchmal weniger zu lesen

Cover mit weißen Flecken

Heftcover mit weißen Flecken: Digital gibt es manchmal nicht alles zu lesen

Weniger aufmunternd, sondern nur skurril wirkt manches Klatsch-Cover bei Readly. Einige Titelbilder haben weiße Färbungen, vermutlich sind hier die betroffenen Promis oder deren Verwandten und Bekannte gegen bestimmte Zeilen und Fotos vorgegangen. So darf man zum Beispiel bei Titelgeschichten über Helene Fischer und Joachim Löw rätseln, worum es eigentlich geht. Auch die Innenseiten helfen selten: Im Fall Löw ist die zugehörige Seite komplett weiß, dort gibt es nicht mal Bilder zu sehen. Seltsame digitale Printwelt.

 

Infos zum Flatrate-Dienst

Zum Schluss noch ein paar Gedanken zu Readly als Flatrate-Angebot:

  • Mit 9,99 Euro finde ich den Monatspreis okay, sofern man im jederzeit einsehbaren, mehrsprachigen Angebot genug spannende Hefte findet. Außerdem kann man jeden Monat kündigen.
  • Mich interessiert leider nur eine Handvoll von Titeln wirklich, etwa Making Games, ein Fachmagazin für Spieleentwickler. Die meisten Hefte sind Frauen- und Klatschmagazine aus den Häusern Funke und Bauer. Aus Deutschland sind etwas mehr als hundert Titel samt älteren Ausgaben verfügbar, außerdem gibt es Hefte aus dem Ausland. Die bekanntesten Readly-Hefte dürften die Bravo, die Hörzu und die TV Movie sein.
  • Die Navigation durch die Hefte fand ich selbst auf einem iPad wenig intuitiv, immer wieder reagiert die App verspätet oder unerwartet auf Eingaben.
  • Auf einem Smartphone fand ich das Lesen generell anstrengend, da der Bildschirm zu klein ist. Das ist ein Problem, weil man sich bei Readly quasi durch PDF-Seiten scrollt. Anders als in klassischen Magazin-Apps lassen sich Artikel nicht einzeln aufrufen.
  • Außerdem fehlen natürlich alle etwaigen Extras der Hefte, wie Sticker bei Frauenheften oder DVDs bei Spieleheften.
  • Gut finde ich, dass man bis zu 500 Ausgaben herunterladen kann, etwa für längere Bahnfahrten ohne Internetverbindung. Ebenso lassen sich Lesezeichen setzen und einzelne Seiten per E-Mail oder Facebook verschicken – hier ist mir aber die Rechtslage unklar.
  • Anders als bei meinem Test im Oktober gibt es mittlerweile eine Funktion, mit der sich die Hefttexte durchsuchen lassen.
  • Insgesamt wirkt Readly inhaltlich wie technisch jedoch noch immer unausgereift. Wer aber ein wenig in die Welt der Nischen- und Klatschhefte reinschnuppern will, kann mit den angebotenen 14 kostenlosen Probetagen nicht viel falsch machen.

Entdeckt (59): Camerawoman – Perfekt versteckt im Frauenregal

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Geht es nach den Verlagen, ist Fotografieren ein Männerhobby. Zumindest bis jetzt, da mit “Camerawoman” ein Magazin speziell für Frauen auf den Markt kommt. Fragt sich nur, ob die graue Erstausgabe überhaupt jemandem auffällt.

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Die Macher von Camerawoman haben ihr Heft mit einem kleinen Hinweiszettel ausliefern lassen. “Bitte platzieren Sie Camerawoman bei Brigitte, Cosmopolitan und Glamour“, heißt es darauf – ein Wunsch an den Zeitschriftenhändler, der nicht überall erfüllt wurde. So steht das neue Fotomagazin mal zwischen den Lifestyle- und mal zwischen den Kamerazeitschriften, auf denen selten Frauen auftauchen. Und wenn doch, dann bevorzugt leicht bekleidet.

“90 Prozent der Leser von Fotozeitschriften sind Männer”, sagt Jürgen Lossau, der Erfinder und Chef von Camerawoman. Im Editorial schreiben sein Team und er, man wolle ein Heft machen, “bei dem es mehr um Gestaltung, als um Technik geht”. Ein interessanter Ansatz, finde auch ich als männlicher Leser, der seine Spiegelreflexkamera vor allem im Automatikmodus nutzt.

Mit Blick auf die Erstausgabe bin ich aber skeptisch, ob sich Camerawoman auf dem Markt durchsetzen wird. Das fängt schon bei der Titelseite an. Sie hat keine richtige Schlagzeile, stattdessen wirbt das Heft damit, dass alle Fotostrecken von Frauen sind. Dazu fallen die Schlagworte Haustiere, Food-Fotografie, Fashion und Promis, eine Art Rundumschlag mit vermeintlichen Fraueninteressen. Originell ist anders.

Ein Making-of? Dazu?

Besonders schwach finde ich das Coverfoto: Eine Frau in Schwarz hält eine Olympus-Kamera ins Bild, frei von jeder Emotion und in Grautönen. Auch nach längerem Nachdenken fällt mir keine Möglichkeit ein, wie man sein Heft noch besser zwischen den bunten Frauentiteln verstecken kann – ausgerechnet im Sommer.

Bei Camerawoman wird man meine Bedenken wohl nicht teilen. Dafür spricht ein einseitiger Making-of-Artikel zum Titelfoto, in dem das Model erzählt, dass es nicht leicht ist, “die Olympus für die große Kamera ins rechte Licht zu rücken und dabei auch noch den richtigen Blick drauf zu haben.” Tatsächlich musste das Model mindestens drei Mal die Rolle der Produktpräsentiererin übernehmen, denn auf der ersten und letzten Innenseite des Hefts finden sich noch zwei ähnliche Motive. Schwarzes Kleid, Grautöne, dieselbe Kamera, ohne jeden Text.

Angesichts dieses Bildtrios überrascht es kaum, dass sich auf der Rückseite von Camerawoman noch eine Olympus-Anzeige befindet. Zu sehen ist dort dasselbe Kameramodell, mit dem Satz “Mein Style. Meine Bilder.” Bemerkenswert fand ich, dass die Kamera innerhalb des Hefts keine Bedeutung mehr hat – das konkrete Modell taucht weder im Testteil, noch in einer Fotostrecke auf. Eine Produktinszenierung zum Selbstzweck.

Untergehen mit einer Olympus-Kamera

Im Magazin hat allerdings noch ein anderes Olympus-Gerät seinen großen Auftritt: Am Heftbeginn werden Fotos aus einem Tauchurlaub gezeigt, zwei junge Frauen schwärmen von ihrer Unterwasserkamera. “Wir haben eine Kamera, bei der wir uns keinerlei Gedanken machen müssen, ob sie nass oder dreckig werden könnte oder runterfällt”, werden sie zitiert. “Durch unsere Armtasche mit Flexi-Band ist sie easy zu bedienen. Einfach perfekt für einen Urlaub, in dem man viel erleben will.”

Obwohl Camerawoman in Sachen Produkterwähnungen an andere Frauenmagazine erinnert, versucht das Heft, ein wenig Lesestoff zu bieten. Unter anderem porträtiert es eine Mutter und eine Tochter, die gemeinsam ein Reisefotoblog führen. Ebenso werden die Arbeit der Mode- und Porträtfotografin Esther Haase und eine Porträtserie über Obdachlose vorgestellt. Diese Artikel haben ansehnliche Bilder, inhaltlich hinterließen sie bei mir aber keinen bleibenden Eindruck.

Am ehesten lesenswert fand ich eine Reportage, die erklärt, wie die Essensfotos für das Magazin Essen & Trinken entstehen. Darin erfährt man zum Beispiel, dass Gerichte mithilfe eines Öl-Wasser-Gemischs frischer aussehen. Kein schlechter Tipp, läuft man doch üblicherweise Gefahr, mit seinen Essensfotos auf Spott-Blogs wie Amateurkochfotos und Cooksuck zu landen. Der Food-Fotografie-Artikel beinhaltet auch zwei Kochrezepte, vielleicht für den Fall, dass jemand das Gesehene gleich nachfotografieren will. Oder, weil Camerawoman doch ein wenig ein 08/15-Frauenmagazin sein will.

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Fototipp-Seite aus der Camerawoman: Das Heft rät zum Beispiel zu skurrilen Motiven

Willkommen im Poesiealbum

Anders als man angesichts des Bildstrecken-Hinweises denken könnte, stammen im Heft nur die Fotos größtenteils von Frauen. Bei den Texten überwiegen männliche Autoren: So wurden etwa alle Kameratests von Männern durchgeführt. Immerhin kommen die auf dem Titel beworbenen “33 Tipps für bessere Bilder” von einer Frau. Jener Artikel gehört zu einer Handvoll Servicetexte und besticht mit netten, aber unspektakulären Tipps.

“Sie trinken einen Tee und die Tasse hat zufällig genau die gleiche Farbe?”, heißt es etwa. “Basteln Sie sich ein Stillleben. Das ist persönlich und erinnert an einen schönen Moment.” Ebenso findet man grundlegende Hinweise zum Einsatz von Blitz und Blende. Bei einigen Bildern in anderen Texten liefert Camerawoman auch konkrete Angaben zur eingesetzten Blende, zum ISO-Wert und zur Verschlusszeit.

Manchen Artikel im Heft konnte ich nur mit höchster Selbstdisziplin zuende lesen. Dazu zählt ein Ratgeber zum Aufhängen von Bilder, der scheinbar maximal langweilig beginnt – “Wer Bilder hat, hat auch Wände” -, im Folgenden aber noch mehr anödet, mit Sätzen wie “Die Bestückung einer Wand folgt strengen Gestaltungsregeln” und “Der Rahmen gilt immer noch als das klassische Verfahren der Fotopräsentation”.

Buntes aus Amsterdam

Auch über andere Inhalte habe ich mich gewundert: Wieso werden fünfseitig Café-Besitzerinnen interviewt, ohne klaren Fotografiebezug? Weshalb stellt man Profifotografen vor, liefert aber kaum Praxistipps aus ihrem Erfahrungsschatz? Und warum finden sich mitten im Heft Reisetipps für Amsterdam – knallbunt und handgeschrieben, als hätte ein junges Mädchen sein Poesiealbum in meinem sonst schlicht gelayouteten Heft vergessen?

Ausgehtipps für Amsterdam: Bin ich hier im Poesiealbum gelandet?

Ausgehtipps für Amsterdam: Bin ich hier im Poesiealbum gelandet?

Wie eingeschmuggelt wirkt auch eine Doppelseite in der Heftmitte, auf der sich zahlreiche Zitate übers Fotografieren finden – ohne Einleitung, ohne Überschrift. Ärgerlich auch, dass einer der vier Kameratests – der eines Olympus-Modells – in erster Linie aus dem Aufzählen der Funktionen besteht.

Ansatzweise originell wirkt Camerawoman nur an zwei Stellen: Erstens bei einer Kolumne, in der eine Fotografin erzählt, dass sie die Ausrüstung für ihren Job gern im Reitsportgeschäft kauft. Ein ungewöhnlicher Ansatz und das offenbar so sehr, dass hier nicht mal konkrete Produkte genannt werden. Und zweitens ist da noch der Artikel, in dem Autor Ideen dafür liefert, wie sich Papierabzüge nachbehandeln lassen – mit Kaffee und Nagellackentferner, aber auch mit Spiritus, Zitronensäure und einer heißen Pfanne.

Warum genau man die Tipps umsetzen sollte, machen die zerstört aussehenden Beispielfotos zwar nicht deutlich, dafür findet sich im Text manch lustiger Satz: “Binsenweisheit: je mehr Gefahrensymbole auf der Flasche, umso spektakulärer der Effekt”, heißt es: “Vor allem Ätzendes liefert Fulminantes.” Bei dieser Passage war mir kurz nicht mehr klar, ob ich gerade eine Frauenzeitschrift lese oder doch ein Prollo-Magazin wie Beef oder Business Punk.

Camerawoman – ein Fazit

Dem kurzen Auflodern von Kreativität zum Trotz: Am Ende bleibt wenig hängen von Camerawoman. Es gibt keinen Artikel, den ich wirklich überraschend oder wenigstens unter Service-Gesichtspunkten empfehlenswert fand. Die Erstausgabe ist in vielerlei Hinsicht durchschnittlich – sprachlich wie von der Aufmachung her, und trotz dem ansprechenden Grundprinzip “Mehr Gestaltung als Technik”.

Unklar ist mir, warum sich Camerawoman nicht noch ein Stück weit radikaler von der Kameratechnik entfernt: Das Heft hätte eine noch größere Zielgruppe, wenn es zum Beispiel auch die Smartphone-Fotografie thematisieren würde. Stattdessen beschränkt es sich vor allem auf Kompaktkameras, und blendet so unter anderem Foto-Apps aus. So greift manche Gelegenheitsfotografin vielleicht doch eher zur Frauenzeitschrift nebenan im Regal, wo es zumindest ab und zu um Dinge wie die besten Instagram-Filter geht.


Infos zum Heft

Camerawoman erscheint seit Mai vierteljährlich. Das Magazin wird im Impressum als “Sonderpublikation des Fotomagazins Camera” bezeichnet.

Das Heft hat laut seinen Machern eine Druckauflage von 65.000 Exemplaren und bereits rund 2000 Abonnenten. Auf den Markt kommt Camerawoman in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Produktion des Hefts wurde durch ein Crowdfunding ermöglicht.

Besprochen wurde die Erstausgabe 1/2015. Sie hat 100 Seiten und kostet fünf Euro.

Offenlegung: In einer älteren Fassung dieses Artikels hieß es, alle Kameratests seien vom selben Autor geschrieben worden. Tatsächlich sind es zwei Autoren, ich habe die Passage entsprechend geändert.

Entsorgt (9): Killerzeilen – Wie Angelmagazine ihre Leser ködern

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Es geht immer noch aufregender und absurder: Wenige Hefte haben so denkwürdige Cover wie die Angelzeitschriften. Eine Schlagzeilen-Typologie der “AngelWoche”, vom B-Movie-Titel bis zum Holzhammer-Wortspiel.

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AngelWoche-Cover 25/2014: “Tock macht Bock” (alle hier gezeigten Fotos hat mir der Jahr Top Special Verlag zur Verfügung gestellt)

Den Glauben, Angeln sei ein entspannendes Hobby, habe ich am Bahnhofskiosk verloren. Neben den Jagd- und Hunde-Heften stehen dort die Angelmagazine und versuchen, trotz ewig gleicher Themen originell zu wirken. Das Angeln wird der männlichen Zielgruppe gern als Action-Erlebnis inszeniert – mit riesigen Fischen auf dem Cover, mit Wortspielen und Kraftausdrücken.

So denkwürdig diese Beispiel sind, die allerschrägsten Titelzeilen hat die AngelWoche. Diese “Deutsche Sportfischer Zeitung” erscheint trotz des Namens 14-tägig, was im Vergleich zu den Konkurrenzblättern aber häufig ist. Vermutlich erklären dieser Kreativdruck und ein Faible für den Boulevard-Journalismus, warum sich im Archiv so viele irrwitzige Ideen finden.

Von der Vielfalt der Titel fasziniert, habe ich im Folgenden eine achtteilige Typologie von AngelWoche-Schlagzeilen zusammengestellt – ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit.

1) Die Get-ready-to-rumble-Zeile

Was bei der AngelWoche immer geht, sind Action-Zeilen. Meiner Interpretation nach sind sie vor allem als Arschtritt für den Leser zu verstehen: Ausrüstung schnappen, ab an den Fluss und es dann krachen lassen, lautet der Subtext. Den passenden Artikel kann man lesen, wenn der Adrenalinspiegel wieder sinkt.

In die Kategorie Get-ready-to-rumble-Zeile fallen folgende Beispiele:

2) Die B-Movie-Zeile

Manchmal hat man beim Zeilenmachen das Glück, dass Themen auf einen konkreten Ort anspielen, mit dem viele Menschen Schönes (Mallorca) oder Stinkendes (Ruhrgebiet) verbinden. In solchen Fällen bietet sich die B-Movie-Zeile an, bei der eine Art Filmtitel erfunden wird. Wichtig: Den Filmnamen sofort schützen lassen, sonst könnte die Idee schneller als man denkt im RTL-Programm auftauchen.

Beispiele:

3) Die Fische-sind-Feinde-Zeile

Wenn man sich von Zeit zu Zeit entscheidet, Angeln ein wenig wie Krieg zu inszenieren, kann man auch gleich klassische Propaganda-Mittel nutzen. Bei einer Angelzeitschrift ist da vor allem das gezielte Diskreditieren der Gegenseite naheliegend. Fische sind nämlich keine Opfer, sondern die wirklich Bösen.

Beispiele:

4) Die Reim-muss-sein-Zeile

Natürlich kann man auch auf einen Klassiker des Schlagzeilenbastelns zurückgreifen – den Reim. Hier sind alle Varianten möglich, die einem aus dem Deutschunterricht noch einfallen, vom guten bis zum schlechten Reim vom Binnen- bis zum Endreim. Mit einem solchen Stilmittel wirken sogar unspektakuläre Titel ein wenig durchdachter.

Beispiele:

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5) Die Gute-Laune-Zeile

Während der Reim den Intellekt anspricht, soll die Gute-Laune-Zeile Gefühle wecken. Sie zielt also auf den Bauch statt den Kopf des potenziellen Käufers.

Die Gute-Laune-Zeile existiert in zwei Varianten. Die erste klingt naiv-enthusiastisch und setzt auf den Sprachstil eines Kindes:

Die zweite Variante dagegen soll Leser abholen, die das Wort “klasse” spätestens mit der Pubertät durch “geil” ersetzt haben – und denen auch “Knoblauch” zu kompliziert ist.

6) Die Bild-im-Kopf-Zeile

Um den Leser emotional aufzuwühlen, lässt sich auch eine Bild-Im-Kopf-Zeile einsetzen. Einen guten Einstieg bietet eine Lautmalerei wie beim hier gezeigten Beispiel. Kombiniert mit der Unterzeile “Die Zander klopfen an” denkt der Leser sofort an eine Abordnung wilder Zander, die sich im Morgengrauen gegen seine Zimmertür wirft, um ihn zum nächsten Fluss zu geleiten.

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Ist man sich als Blattmacher nicht sicher, ob die Lautmalerei verstanden wird, kann man sie in einer weiteren Zusatzzeile erklären, analog zu “Beim Biss macht’s Tock”. Und im Zweifel ist auch noch ein Halbsatz wie “Und Tock macht Bock” erlaubt, bevor der Leser vergisst, wie toll doch das Zander-Angeln ist. Voilà.

7) Die Mal-was-Anderes-Zeile

Da das Angeln von der Köder- bis zur Platzwahl ein kreatives Hobby ist, darf auch beim Magazinmachen experimentiert werden. Allein aus Gründen der Abwechslung sollte die Titelkonferenz alle paar Wochen mit einer verkopften oder stark verkürzenden Titelzeile enden.

Am Anfang des Spektrums steht dabei die philosophische Zeile:

Und am Ende die naturwissenschaftlich nicht zu haltende Formel:

8) Die Wortspiel-Zeile

Alle B-Movie-Ideen verballert und zu viel gereimt? Dann funktioniert natürlich immer noch die in Deutschland wohl beliebteste aller Überschriften, das Wortspiel. Hierbei ist zwischen mehreren Intensitätsgraden zu unterscheiden.

So gibt es etwa das absolut passende Wortspiel:

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Darauf folgt das okaye Wortspiel:

Dann kommt das erzwungene Wortspiel:

Und dann gibt es noch das Wortspiel um jeden Preis:

Nach einem solchen Holzhammer-Wortspiel sollte man beim nächsten Mal wieder den Wortspiel-Typ wechseln. Das kann dann zum Beispiel so klingen:

Bonus: Die Titten-Zeile Das Notfall-Cover

Und einen Tipp für den Notfall gibt es auch noch: Hat man einmal gar keine Zeilen-Idee, kann man einfach das Coverfoto für sich sprechen lassen. Muss ja wohl erlaubt sein, wenn die Konkurrenz sogar Karpfen-Erotik-Kalender bietet.


Anmerkung: Mit dem in diesem Artikel vielfach verlinkten Online-Shop Pressekatalog habe ich nichts zu tun, es handelt sich um keine Empfehlung. Ich verlinke das Angebot, weil man sich dort die hier zitierten AngelWoche-Cover im Großformat ansehen kann.

 

Entdeckt (60): Warum Ausmalhefte für Erwachsene nur konsequent sind

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Am Kiosk gibt es seit einiger Zeit Ausmalhefte für Erwachsene. So etwas zeigt, wie überfordert die Menschen sind, sagen einige, als gebe jede Freizeitbeschäftigung Einblicke in die Psyche. Ich finde, die Hefte passen perfekt zum Zeitschriftenmarkt.

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Ich würde sie ja gern testen, diese total neuen und total zeitgenössischen Ausmalhefte, die jetzt auch in Deutschland am Kiosk liegen. Blöd nur, dass es wirklich Malhefte sind, also Magazine, die aus nichts bestehen außer Bildern, die man ausmalen kann. Da gibt es eigentlich nichts zu bewerten, und nicht einmal eine zu schwach gedruckte Linie habe ich entdeckt.

Im Kioskregal stehen gerade unter anderem Mal’s dir aus!, Relaxen durch Malen und Geoscapes, alles Magazine mit Unterzeilen, die das jeweilige Heft als Produkt für Erwachsene ausweisen.

Die Hinweise sind nur Marketingkniffe, meines Wissens nach gibt man in keinem der Hefte Geschlechtsteilen oder Schnapsetiketten neue Farben. Lediglich die Komplexität der Motive variiert je nach Magazin, wobei ich bezweifle, dass die Bilder Kinder überfordern. Vermutlich malt ohnehin jeder Vorschüler präziser und ausdauernder aus als ich.

Im Magazin Mal’s dir aus! findet sich zum Beispiel dieses Bild, das eine mir nahestehende und tatsächlich erwachsene Person während einer Zugfahrt eingefärbt hat:

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Sie hatte Spaß, sagte die Testperson beim Wegpacken der Buntstifte, und mit so einem Satz könnte von mir aus die inhaltliche Auseinandersetzung mit Erwachsenen-Malheften enden.

Seltsame Kritik

Entsprechend absurd erscheint mir, dass sich Leute über das Phänomen wundern oder gar daran stören. Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung etwa hieß es – zu Erwachsenen, die Malbücher kaufen -, offenbar würden sich zahlreiche Menschen danach sehnen, keine Entscheidungen treffen zu müssen: “Und wenn sie mal eine treffen, soll sie bitte keinerlei Tragweite haben.”

Diesen Blick von außen halte ich für Quatsch. Allein, weil man beim Ausmalen schon aus der Sache heraus mehr entscheidet als etwa beim Serien gucken oder im Theater, wo man sich höchstens überlegen muss, ob man jetzt wirklich auf die Toilette geht und wenn ja, ob man sich gleich noch ein Glas Wein mitbringt. Ich glaube, es gibt einfach Leute, die früher gern ausgemalt haben – die mögen es noch immer – und welche, die das Ausmalen von Anfang an gelangweilt hat.

Von dieser These kann mich auch eine Verlagsmitarbeiterin nicht abbringen, deren Arbeitgeber Malbücher veröffentlicht. “Das Ausmalen ist eine Flucht vor der Selbstoptimierung, hinein in einen eigenen Flow, in dem es kein richtig oder falsch mehr gibt”, wird die Dame von der Nachrichtenagentur dpa zitiert, als wäre ganz normaler Spaß eine undenkbare Motivation.

Kinderhefte für Erwachsene, Erwachsenenhefte für Kinder

So wenig ich in den Malhefte-Trend hineininterpretieren würde, ich finde zumindest, dass die Hefte perfekt in den modernen Zeitschriftenmarkt passen, auf dem es bald gefühlt jedes Magazinkonzept für jede Zielgruppe gibt.

Achtjährige zum Beispiel können sich heute als Spiegel-Leser outen, hat das Nachrichtenmagazin doch wie Geo und die Zeit einen Ableger für Kinder:

kinderhefte

Und auch ein Nischen-Klassiker wie Wild und Hund versucht, “junge Jäger” mit einem Extra-Produkt anzuwerben:

wilde hunde

Frauenzeitschriften für Männer gibt es auch schon:

frauenhefte

Genau wie ein Erotikblatt für Frauen:

separee

Oder Technikhefte speziell für Senioren:

seniorenhefte

Oder ein einstiges Kinder- und Comicheft, das mittlerweile Erwachsene ansprechen soll:

yps

Und jedem, der sich ernsthaft über Ausmalhefte für Erwachsene aufregt, dem sei dieses Kinderheft ans Herz gelegt, mit einem echten Erwachsenen-Gimmick – einer Kreditkarte aus Plastik.

kreditkarte kinder

Und jetzt bitte alle Junggebliebenen weitermalen. Niemand muss, jeder darf.

Entsorgt (10): What would Cosmo do? Ein Sex-Tipp-Quiz

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Empfiehlt wirklich jemand einen “Grapefruit-Blowjob”? Und was müssen Typen beim Anbandeln mit Zwanzigjährigen beachten? Zehn Fragen zu Männer- und Frauengeschichten – mit Tipps aus den Heften “Cosmopolitan”, “Men’s Health” und “Joy”.

quizmagazine

Eins muss ich ja zugeben: Wenn ich irgendwo eine Frauenzeitschrift entdecke, kann ich nichts anders, als nachzulesen, “was Männer wirklich anmacht” oder welchen Sex “alle Männer wollen“. Bei mir siegt schlicht die Neugier, was die Macher des Heftes diesmal als Universalweisheit präsentieren. In der Liebe gibt es ja scheinbar im Monatstakt neue Trends und Erkenntnisse.

Männer wollen der neuesten “Cosmopolitan”-Ausgabe zufolge gerade Analsex, allesamt. Und dank der September-Ausgabe erfuhr man, dass Männer “nicht der Busen” anmacht, sondern ein “positives mindset”, eine bestimmte geistige Haltung.

Ähnlichen Inhalt liefern natürlich auch Männermagazine, mit Titelzeilen wie “So flirten Sie jede Frau kribbelig“. Durch Signalwörter wie “jede”, “alle” oder “wirklich” wecken die Themen eine gewisse Neugier; mal davon abgesehen, dass man bei zu starkem Kribbeln wohl lieber einen Arzt rufen sollte. Beim Lesen mancher Artikel frage ich mich, ob auch nur ein Redaktionsmitglied die Tipps befolgt, die sein Magazin veröffentlicht.

Das folgende Quiz versammelt Textstellen, die in den vergangenen Monaten in den Frauenmagazinen “Cosmopolitan” und “Joy” und im Männerheft “Men’s Health” erschienen sind. Wie leicht ist es, echte und erfundene Ratschläge an die Leser zu unterscheiden?

Hinweis: Die Auflösung sowie die nächste Frage finden sich jeweils auf der folgenden Seite.

Los geht es mit einer lockeren Einstiegsfrage. In einem der drei Magazine bekam man diesen Sommer recht detaillierte Ratschläge, wie man seinen Partner dazu bringt, “vor Lust zu seufzen”.

Frage 1 von 10: Welches Heft veröffentlichte diesen Artikel, aus dem auch die folgende Passage stammt? “Achten Sie beim Stöhnen unbedingt darauf, dass es nicht nach Zahnschmerzen oder Darmgrippe klingt. Also nicht leidvoll, sondern lustvoll!”

a) aus der “Cosmopolitan”
b) aus der “Joy”
c) aus der “Men’s Health”

Hier geht es zur Auflösung und zu Frage 2.

Entsorgt (11): Projekt Kombiheft – Wie neue Magazine entstehen

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“Happinez” plus “MyWay” ergibt “Happy Way”? Aus “GQ” und dem “Uhren Magazin” wird “GQ Uhren”? Ein Dutzend Mutmaßungen zur Entstehung von Magazinen.

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Neulich hat mich ein Magazin mal wieder vor Rätsel gestellt. Ich fragte mich, wer – außer mir, einem Blogbetreiber, der bewusst seltsame Hefte kauft – wohl Geld für Satoon ausgibt. Dieses neue Heft hat einen Schriftzug mit Augen und wirbt damit, Cartoons und Comics mit dem aktuellen Fernsehprogramm zu kombinieren.

Satoon

“Grundsätzlich richtet Satoon sich an ‘Leser wie Du und ich’ der unterschiedlichsten Altersklassen”, erklärt ein Werbetext. “Durch den hohen Anteil von Illustrationen und einen eher kurzen TV-Programmteil soll auch die jüngere Generation für Zeitschriften begeistert werden.” Funktioniert bestimmt. Junge Leute kaufen ja auch wieder alle die FAZ, seit es auf der Titelseite ein Foto gibt.

Aus Landlust und Bergsteiger wird Berglust?

Doch so schnell die meisten skurrilen Mischungen scheitern, Deutschlands Magazinmacher hoffen weiter auf den perfekten Remix. Immer wieder trifft man daher auf Hefte, die einem seltsam bekannt vorkommen oder bei denen man sich nicht sicher ist, ob das Magazin daneben nun die Kopie ist oder die Inspiration war.

Bei manchen Heften sind die Vorlagen offensichtlich: Aktuell liegt etwa Berglust am Kiosk, für das wohl das seit Jahren erfolgreiche Landleben-Heft Landlust mit einem Bergsteiger-Magazin gekreuzt wurde:

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Ein anderes Crossover-Heft habe ich 2014 vorgestellt: Equistyle, ein Magazin, das wohl auf Pferdefans zielt, die sich auch für Modezeitschriften wie die Vogue interessieren.

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Eine beliebte Verlagstaktik ist es auch, selbst weitere Varianten etablierter Hefte auf den Markt zu bringen. Neuerdings gibt es zum Beispiel Men’s Health Dad, einen Ableger des Männer-Fitness-Magazins speziell für Väter.

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Und auch das Männer-Lifestyle-Heft GQ hat eine Spezialvariante: Darin geht es ausschließlich um Uhren.

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Bei den Frauenheften fehlt mir die Übersicht – schon die Namen mancher Hefte wirken austauschbar. Happy Way zum Beispiel könnte optisch wie inhaltlich ein Mix aus Happinez und MyWay sein.

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Konsequent finde ich, dass es eine Kurzgeschichten-Sammlung mit dem Titel Meine Sorgen gibt. Die kann man lesen, nachdem man herausgefunden hat, wie sich die Inhalte von Meine Sünden auf die von Mein Gewissen auswirken.

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Spannend klingt auch die Frage, was Business– und Golfpunks unterscheidet.

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Genau wie die, ob in Slowly Veggie eigentlich dasselbe steht wie in Slow und  Vegan für mich.

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Interessant auch, dass man die Micky Maus jetzt auf Englisch lesen kann.

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Und, dass man mit Fine Art Photo die Qualität sinnlicher Aufnahmen bewundern kann, ohne von Reportagen oder zu vielen Foto-Tipps abgelenkt zu werden.

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Dank Dog and Travel könnte es übrigens auch überflüssig sein, jeweils ein Hunde- und ein Reisemagazin zu kaufen.

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Und falls irgendwer dachte, Erwachsenen-Malhefte (mehr dazu hier) wären zu cool für Tätowierte, kommt hier noch die Entwarnung: Es gibt da etwas Neues.

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Hach, diese deutsche Magazinwelt.

Hinweis: Dieser Beitrag ist unterhaltend gemeint. Mitunter kann es daher sein, dass ein Magazin auf der rechten Seite vor einem der linken auf den Markt kam oder dass sich die Macher von anderen Heften inspirieren ließen. Mir ging es mehr um lustige Konzept- oder Titel-Remixes. In diesem Sinne einen schönen Jahresausklang und viel Spaß beim Entdecken neuer Kombinationen.

Noch ein Hinweis: Mittlerweile ist der Artikel auf Bento, einem Ableger von Spiegel Online, zweitveröffentlicht worden. Rubrik: Haha.


Entdeckt (60): Micky Maus Genial – Donalds kleine Pupskunde

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Comiclesen im Unterricht? Bislang ist das ein Klischeebild kindlicher Rebellion. “Micky Maus Genial”, ein Mix aus Schulbuch und Disney-Magazin, soll das ändern. Mit dem Heft können Lehrer die Aufklärung über Fürze an Donald Duck auslagern.

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Cover für Micky Maus Genial: Wissensmagazin für Schüler (Bild: (c) Disney)

Wenn Kinder über Ernährung nachdenken, scheint sie aus der Sicht erwachsener Zeitschriftenmacher vor allem eine Frage zu interessieren: Warum muss ich pupsen? Diesen Eindruck habe ich zumindest beim Lesen von Micky Maus Genial bekommen, einem neuen Ehapa-Wissensmagazin mit Disney-Lizenz. Gleich an vier Stellen geht es im aktuellen Heft um Darmwinde – mal theoretisch, mal praxisorientiert.

Neben einem Lexikoneintrag (“Pups: Ist ein – meist nicht gut riechendes – Gas, das bei der Verdauung entsteht und durch den Popo entweicht”) gibt es zum Beispiel eine Interviewpassage, in der eine Ernährungsexpertin verrät, was pupswillige Kinder essen sollten. Fürze würden vor allem durch Ballaststoffe verursacht, sagt sie, “diese kommen vor allem in Linsen, Bohnen, Erbsen, Zwiebeln, Kohl und in Vollkornprodukten vor. Wenn du Eltern oder Freunde ärgern willst, nasche beim nächsten Erbsen-Essen besonders viele von den kleinen Pups-Perlen.”

Verdammt. Ich werde beim Anblick von Erbsen wohl nie wieder als erstes an das Wort Erbsen denken können.

Ein Kinderheft für Lehrer

Textstellen wie die zitierte sind typisch für Micky Maus Genial. Das Magazin will einen schwierigen Spagat schaffen: Schüler der dritten und vierten Klasse sollen es cool finden, obwohl sie das Heft von ihren Eltern oder gar Lehrern in die Hand gedrückt bekommen. Von Leuten, die sie sonst mit so überflüssigen Dingen wie Mathetests versorgen.

Micky Maus Genial liegt zwar auch im Kinderregal des Zeitschriftenladens, der Verlag inszeniert das Heft jedoch bewusst als Ergänzung zum Schulstoff. Überraschend plump geschieht das mit dem oberen Teil der Titelseite, der im Karopapier-Look bemerkenswert spießig daherkommt.

Online heißt es, die Genial-Hefte seien “für den direkten Einsatz im Unterricht konzipiert”: Jede Ausgabe befasse sich mit einem “lehrplanrelevanten Thema”. Die Genial-Macher können angesichts solcher Formulierungen nur hoffen, dass sich Kinder niemals auf die Ehapa-Erklärseite verirren. Denn was gibt es Unattraktiveres als Lehrmaterial, das sich als solches outet?

Spülen ist anstrengender als aufräumen

Das Heft an sich gar nicht so unspannend. Nach “Die Welt des Internets” in der Erstausgabe geht es diesmal monothematisch um Ernährung. Auf 52 Seiten finden sich sieben Disney-Comics und neun redaktionell bestückte Doppelseiten, sechs Seiten Wissen sind die längste Comic-Durststrecke.

Micky Maus Genial bietet generell kurze Texte, die Macher setzen auf Infohäppchen, die sie manchmal auch als Grafik in Biobuch-Optik oder kleine Tabelle präsentieren. Eine Übersicht zum Kalorienverbrauch etwa lehrt, dass man beim Spülen einen Tick mehr Kalorien verbraucht als beim Aufräumen.

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Furz-Erklärung: Micky Maus Genial bietet vor allem kurze Texte (Bild: (c) Disney)

So konkret wie in seiner Kalorientabelle wird das Heft jedoch selten. Micky Maus Genial bietet vor allem allgemeine Tipps, wie “Ernährung ist dann ungesund, wenn du von etwas zu viel oder zu wenig isst” oder den Ratschlag, dass Lebensmittel umso gesünder sind, je weniger sie verarbeitet wurden.

Als junger Leser muss man sich keine Sorgen machen, dass Donald Duck Diäten verordnet oder Pommes, Pizza und Süßigkeiten verbietet, nachdem er im Editorial anbiedernd “viel Spaß beim Lesen und Gesundernähren” gewünscht hat. Praktisch wäre ein Entenhausener Anti-Fast-Food- oder Anti-Zucker-Kurs ohnehin wenig glaubwürdig, solange es zum Beispiel jede Menge Disney-Süßigkeiten gibt.

Auch zum Vegetarier oder Veganer macht Micky Maus Genial wohl niemanden. Beide Ernährungsweisen werden nur beiläufig in einem Kasten “Wie gesund ist Verzicht?” abgehandelt. Überhaupt wirkt die Ernährungs-Ausgabe selten oberlehrerhaft, was wohl daran liegt, dass das Heft so viel kleinteiliges Faktenwissen liefert, dass konkretere Dos and Don’ts in der Masse kaum auffallen.

Comics ohne Lernziel

Unklar blieb mir, ob die Comics inhaltliche Botschaften transportieren sollen oder ob sie nur einfach nur der Auflockerung dienen:

  • In der ersten Geschichte “Moderne Ernährung” zum Beispiel fällt Fleischesser Donald auf einen Hochstapler rein, der ihm einen “Leitfaden für naturgemäße Ernährung” aufschwatzt. Das Sammeln der Zutaten wie Brennnesseln und Birkenblätter ist beschwerlich und wegen eines Bußgelds teuer, beim Probeessen laufen Donald, Tick, Trick und Track vor Übelkeit grün an. Am Ende entscheiden sich die vier, lieber in ein Restaurant zu gehen, wo sie den Buchautor vor einer Fleischplatte erwischen.
  • In einer anderen Geschichte will Donald seinen Neffen einen Gemüseeintopf kochen, diese wollen aber lieber Fast Food. Donald stoppt sie Sekunden vor einem “Fettburger”-Kauf, bekommt vom Verkäufer aber eine Pfanne auf den Kopf, weil er die Burger “total ungesund” nennt. Als Tick, Trick und Track an einer anderen Bude Pommes kaufen, reißt Donald ihnen diese aus der Hand, was ihm abermals den Ärger eines Polizisten einbringt. Der Beamte bringt die vier nach Hause, wo mittlerweile der Eintopf verkocht ist. Am Ende ordert Donald telefonisch Pommes, während seine Neffen Eis essen.
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Happy End mit Pommes: Comic mit Tick, Trick und Track (Bild: (c) Disney)

  • Und in der letzten Geschichte des Hefts erwischt Daisy Donald beim Milchshake-Trinken und schimpft: “Ich will keinen Freund, der aussieht, wie eine Dampfwalze!” Kurz darauf schleicht Donald erneut in die Milchbar, um sich einen neuen Shake zu holen – wobei er Daisy begegnet, die dort ebenfalls mit einem Shake sitzt. Sie wird im Gesicht ganz rot vor Scham.

Supergoof statt Micky Maus

Im Grunde scheinen manche Comics des Hefts also nur eine Botschaft zu haben: Wer unbedingt ungesund essen will, schafft das auch. Und Pflanzen essen ist doof. Oder so ähnlich. Einen roten Faden in den Geschichten habe ich auch nach längerem Nachdenken nicht gefunden. Am wahrscheinlichsten scheint mir, dass die Comics ohne Konzept aus dem Disney-Archiv zusammengesucht wurden: Die einzige Voraussetzung für einen Abdruck war offenbar, dass sie auch nur irgendetwas mit Ernährung zu tun haben.

Nun weiß ich selbst nicht, ob mir Lehrcomics lieber gewesen wären (vermutlich nicht). Ärgerlich ist aber auch, dass keine einzige der Kurzgeschichten besonders originell oder lustig ist – da bin ich als langjähriger Micky-Maus-Abonnent Unterhaltsameres gewohnt. Überrascht hat mich auch, dass sich im Heft kein einziger Micky-Comic findet, die Hauptfiguren der übrigen Geschichten sind unter anderem Daniel Düsentrieb und Supergoof.

Optisch ist das Heft solide. Die Infoseiten wirken dank ihrer bunten Textkästen ein wenig chaotisch, aber nicht komplett überladen. Stock-Fotos von Lebensmitteln und Kindern begegnen Disney-Figuren mit Sprechblasen wie “Mein Magen knurrt”. Hat man schon besser gesehen, aber auch schlechter.

Die Themenseiten, die sich zum Beispiel um Verdauungsorgane und den Stoffwechsel drehen, sind okay geschrieben, auch das Interview mit der Wissenschaftlerin kann man gut lesen. Am Heftende finden sich ein kleines Lexikon und der Test “Bist du ein Ernährungsexperte?”, bei dem man wissen sollte, dass nicht “Schokolade, Chips, Kekse” die drei Hauptnährstoffe sind, sondern “Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß”. Als Erwachsener dürfte man das Heft nach knapp einer Stunde ausgelesen haben, seine Sprache ist einfach gehalten.

Micky Maus Genial – ein Fazit

Micky Maus Genial hätte ich als Grundschüler zumindest mal quergelesen. Es liefert immerhin Disney-Comics – wenn auch keine besonders guten – und verzichtet darauf, mir mein Lieblingsessen schlecht zu reden. Figuren wie Tick, Trick und Track stehen ja offenbar selbst total auf Fast Food.

Selbst gekauft hätte ich Micky Maus Genial nicht. Schon von der Titelseite her wirkt das Heft so, als würden nur Streber freiwillig 3,50 Euro dafür ausgeben. Wer Comics mag, bekommt für den doppelten Preis ein deutlich dickeres Lustiges Taschenbuch, und in Sachen Extras liegt die normale Micky Maus vor der Genial-Variante: Denn wer will schon lieber ein Poster “So isst du gesund!” als zum Beispiel ein Agentenset?

Schlussendlich muss Ehapa also tatsächlich auf Eltern und Lehrer als Käufer hoffen – und vielleicht erklärt das, warum die Macher das Thema Pupsen auf dem Cover lieber nicht erwähnt haben.

 

Infos zum Heft

Micky Maus Genial erscheint wie das Micky-Maus-Magazin und weitere Disney-Zeitschriften bei Egmont Ehapa Media. Neue Ausgaben kommen alle drei Monate auf den Markt. Laut dem Verlag wird das Heft an weniger Verkaufsstellen angeboten als die Micky Maus.

Das Heft richtet sich vor allem an Schüler der dritten und vierten Klasse, online lassen sich vergünstigte Klassensätze bestellen. Micky Maus Genial erscheint seit dem September 2015. Für die Webtipps im Heft kooperiert Ehapa mit der Kindersuchmaschine FragFinn.de.

Besprochen wurde die Ausgabe 1/2016, “Ernährung”. Sie hat 52 Seiten und kostet 3,50 Euro.

Transparenz-Hinweis: In einer früheren Version waren Disney-Figuren im Happy Meal als Beispiel genannt. Disney und McDonald’s haben aber mittlerweile keine Kooperation mehr.

Entsorgt (13): Flop 15 – Die seltsamsten Magazin-Cover des Frühjahrs

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In Deutschland gibt es nicht nur schicke Hochglanzmagazine. Am Kiosk liegen auch viele Zeitschriften, deren Titelseiten verwirren oder verstören. 15 Cover würdige ich hier – größtenteils ohne das jeweilige Heft gelesen zu haben.

cover awards

Zeitschriftencover: Gewonnen haben nur zwei dieser Hefte

In Hamburg wurden gerade wieder Medienpreise verliehen. Der Art Directors Club für Deutschland (ADC), “ein Zusammenschluss von Kreativen der Kommunikationsbranche”, hat Donnerstag fast 300 seiner sogenannten Nägel vergeben. Dabei handelt es sich tatsächlich um Nägel, die eine Jury von Werbern an Arbeiten vergibt, die – Achtung, Phrase – “den Nagel auf den Kopf treffen”.

Es gibt aber noch eine Voraussetzung für Auszeichnungen: Damit die eigene Arbeit von der Jury überhaupt berücksichtigt wird, muss man als Künstler oder Agentur pro Werk einige Hundert Euro Gebühr zahlen. Unnötig und unfair, finde ich.

Damit auch Zeitschriften, die lieber in Inhalte als Award-Einreichungen investieren, mal einen Preis gewinnen, erfinde ich hiermit den Kioskforscher-Award für besonders denkwürdige Cover. Zum Start vergebe ich ihn gleich 15 Mal – wie beim ADC-Wettbewerb in den Abstufungen Gold, Silber und Bronze.

Intransparenz-Hinweis: In die engere Auswahl kamen nur Cover deutschsprachiger Zeitschriften, denen ich im Frühjahr 2016 zufällig im Supermarkt oder Zeitschriftenladen begegnet bin und die ich zumindest so ungewöhnlich fand, dass ich sie fotografiert habe. Mein Eindruck von den Heften basiert in der Regel ausschließlich auf dem Cover. Nach fünf Jahren Kioskforschung dürfte ich aber eine gewisse Routine beim Erkennen seltsamer Magazine entwickelt haben.

Nun aber zu den Preisträgern:

Ein goldener Kioskforscher-Award für besonders gewiefte Leserverwirrung geht an das Rezeptemagazin “Meine Familie & Ich“. Aus der Kassenschlange eines Reals starrte ich mehrfach ungläubig in Richtung der März-Ausgabe, die den ersten Fleisch-Schokokuchen der Welt präsentierte. Dachte ich zumindest auf den ersten, zweiten und dritten Blick. Und das wäre in der Tat “echt crazy” gewesen.

gold - rewe

Ein weiterer Gold-Award für das schönste Softporno-Cover geht an das Heft Rügen. Das “Journal für Deutschlands schönste und größte Insel” imitiert mit beeindruckender Akribie die Optik billiger Liebesromane, obwohl das Heft immerhin 6,50 Euro kostet.

gold - rügen sex wie groschenromane

Und es gibt noch einen dritten Gold-Gewinner: Das große Schicksalshoroskop der AstroWoche wird geehrt für bemerkenswerte Überambition. Das Horoskop-Heft sagt nicht nur die nächste Woche, den nächsten Monat oder das nächste Jahr vorher, sondern gleich das kommende Jahrzehnt – für jedes Sternzeichen und sogar für Deutschland. Einen Sonderpunkt gibt es, weil die Zeile “Das kommt jetzt auf uns zu!” besonders schlecht zu einer Langzeitprognose passt.

gold - astrowoche

Einfallsreich sind die Prognosen des Hefts übrigens nicht oder zumindest nicht alle. Das Jahr 2025 etwa wird an einer Stelle so beschrieben: “Fast alle Deutschen sind vernetzt. Das Smartphone bestimmt die Kommunikation – über Handy wird bestellt, bezahlt, geshoppt, ständiger Kontakt gehalten.” Manches bleibt also einfach so wie jetzt.

Jetzt zu den Silber-Preisen: Der erste Award dieser Kategorie geht an Vegan für mich, für eine besonders ungeschickte Zielgruppenansprache. “Glücklich, fit und Spaß dabei”, lautet der Slogan des Hefts, Vegan-sein wird hier offenbar als etwas Tolles und sogar Cooles inszeniert. Unklar bleibt aber, wieso die Redaktion ausgerechnet eine Frau mit Blattsalat-Kopfschmuck aufs Cover genommen hat, die eher die gegenteilige Botschaft vermittelt: Ein wenig irre sind die schon, diese Veganer.

silber - v für mich vegan

Wo wir gerade beim Thema Ernährung sind: Silber geht auch an Meine Schuld, für besonders subtile Kritik am Vegetarismus. Das Heft lockt mit schonungslosen und indiskreten Berichten von Frauen, wie “Ich schlief auch mit seiner Schwester”. Zu diesen Ankündigungen gesellt sich aber auch noch ein weiteres Titelthema, “Gaumenfreuden: Vegetarisches für die Familie”.

In welcher Form dieses wohl im Heft vorkommt? Gesteht eine Frau, dass sie einmal heimlich Tofubällchen statt Frikadellen gekocht hat? Oder, dass sie dieses Gericht ihrer Familie vorgesetzt, aber selbst gar nicht gegessen hat?

silber - meine schuld

Ins Grübeln gebracht hat mich auch das Magazin Maas, das “Impulse für ein erfülltes Leben” liefern soll. Von mir bekommt es einen Silber-Award – für eine besonders unverständliche Bildgestaltung. Das Titelthema des ersten Heftes lautet “Beruf und Berufung”, dazu reißt eine Frau in einer Ruine Gardinen auseinander – auf Rollschuhen. Ja, genau: Hä?! Besonders das Rollschuh-Motiv lässt mir nach wie vor keine Ruhe.

silber - verwirrendes cover maas

Silber geht in der ersten Award-Runde auch an das Krimi-Magazin Real Crime. Seine Ausgabe 2/2016 wird für maximale Dramatisierung geehrt. Auf seinem Cover präsentiert es nicht etwa nur gefährliche Serienmörder, sondern gleich die “weltweit tödlichsten”, die “schlimmsten Psychopathen der Welt”. Drunter macht es Real Crime nicht.

silber - real crime serienmörder

Nichts mit Gewalt hat der letzte Silber-Preisträger zu tun, das Ausmalheft FarbenFroh mit dem Slogan “Mal dir dein Leben neu aus”. Es wird ausgezeichnet für übertriebene Vorsicht. Dabei geht es weniger darum, dass das Heft das Leben als eine Ansammlung von Torten, Cupcakes und Kaffeetassen darstellt. Nein, primär gibt es den Preis für die Warnung unten rechts bei den mitgelieferten Stiften: “Achtung, das ist kein Spielzeug. Nicht für Kinder unter 14 Jahren geeignet.”

silber 14 jahre farbenfroh

Viel weniger für Unter-14-Jährige geeignet ist das Sexmag, das Bronze gewinnt. Es wird ausgezeichnet für besonders durchschaubare Verführung, weil das Heft auf der Titelseite als “Erotikmagazin für Mann und Frau” inszeniert wird – trotz eines Covermodels, das wohl in erster Linie Männer anspricht.

bronze - sexmag

Im Heft selbst immerhin finden sich tatsächlich Themen, die beide Geschlechter ansprechen, von den “besten Erotik-Blogs” bis zu einem Artikel über Sex in Fernbeziehungen. Dazu gibt es aber auch 16 Seiten erotische Fotostrecken, darunter 16 Seiten mit mehr oder weniger nackten Frauen und exakt 0 mit Männer-Models. Und auch auf den restlichen Seiten sieht man vor allem wenig bekleidete Frauen. Sicher genau das, was sich Leserinnen wünschen.

Nicht unausgezeichnet lassen konnte ich die AngelWoche, deren denkwürdige Cover vergangenen Sommer schon mit einem eigenen Beitrag gewürdigt wurden. Das für seine Wortspiele berühmt-berüchtigte Heft bekommt jetzt noch einen Bronze-Award, für besonders unnötiges Kopfkino.

bronze - angel woche

“Die Mädels mischen mit” heißt es auf dem Cover des Heftes 10/2016: “Immer mehr, immer besser, immer öfter”. Unter dem Titelbild mit Frau und Karpfen findet sich dann der Hinweis: “Was Anglerinnen bei uns jetzt sonst noch fangen, lesen Sie auf Seite 2.” Man will die Auflösung eigentlich gar nicht wissen.

Bronze für ein besonders überflüssiges Pin-up-Girl geht derweil an das Heft Original Schwedenrätsel. Hier dachte man wohl, Rätsel allein genügen nicht, also muss noch eine leicht bekleidete Frau aufs Cover – Blond ist ja bestimmt typisch für Schweden.

bronze - schwedenrätsel

Da lobt man sich Hefte, die sich nicht ausschließlich auf Bilder verlassen, weil sie auch die Kraft des Textes kennen. Bronze für den fiesesten Zungenbrecher als Titelzeile geht daher an das Magazin Humane Wirtschaft.

Das muss man mal nachsprechen, so schnell wie möglich und mehrfach hintereinander: “Ist Bares Wahres oder war es das mit Barem?” Und wenn man das auf Anhieb fehlerfrei schafft, kann man ja immer noch das Titelbild aus 200er- und 500er-Scheinen nachbasteln. Und, ja: Die Würfel gehören zwingend mit dazu.

bronze - humane wirtschaft zungenbrecher

Geld ist aber nicht alles im Leben – manchmal freut man sich übers pure Überleben. Für die martialischste Inszenierung eines Restaurant-Tipps geehrt wird Wilde Hunde, ein Jagdmagazin für “Jäger von morgen”. Die Titelstory des Januar-Heftes dreht sich um einen Frankfurter Food-Truck namens Wild Smoker, dessen Personal am Arbeitsplatz ganz sympathisch aussieht. Dem bewaffneten Wild-Smoker-Trio vom Wilde-Hunde-Cover dagegen will man lieber nicht nach Einbruch der Dunkelheit begegnen.

bronze - junge wilde

Weniger beängstigend wirkt die Titelseite von Naturarzt, einem Gesundheitsheft mit dem Slogan “Natürlich heilen – gesund leben”. Einen Bronze Award bekommt es für sein auf unerklärliche Weise fesselndes Titelmotiv, ein Schneckenhaus. Man muss nur lang genug daraufschauen, dann hat man den Eindruck, dass sich die Linien drumherum zu bewegen beginnen. Ob das wirklich gesund ist?

bronze - naturarzt

Als letztes ausgezeichnet wird dieses Frühjahr noch das Magazin So gestalten Sie ihr Dorfpuppenhaus. Das Sammelheft bekommt einen Lebenswerk-Preis für überraschende Langlebigkeit, weil offenbar seit über zwei Jahren Woche für Woche neue Ausgaben an den Kiosk kommen. Mit Heft 114 zum Beispiel hat die Leserschaft endlich ein Besteckset für ihr Häuschen bekommen, ebenso Abstrebungen.

lebenswerk - dorfpuppenhaus lebenswerk

Wer das Puppenhaus-Magazin durchgehend gekauft hat, hat rechnerisch mittlerweile mehr als 1000 Euro ausgegeben, denn mit Ausnahme der Startausgaben kostet jede Ausgabe 8,99 Euro. Wer jemanden kennt, der jemanden kennt, der wirklich alle Hefte gekauft hat, der möge sich gern bei mir melden. Für so viel Treue zu einem Sammelmagazin hätte man eigentlich auch einen Preis verdient.

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde mittlerweile bei Bento zweitveröffentlicht.

Entdeckt (61): Sommerloch 2016: Dr. Sommer drückt sich – und Frau Fischer trägt jetzt Tischdecke

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Ein Aufklärungsheft gibt sich bieder, ein Magazin für „geilen Scheiß“ bietet kaum Geiles, eine Straßenzeitung druckt Wikipedia. Und ein Online-Kiosk behauptet, bei ihm fände man kreativere Cover als hier. Vier Erkenntnisse der letzten Wochen. 

dr sommer

Service-Hinweis: Für lustige Cover nach unten scrollen.

1) Dr. Sommer hat geantwortet – nur nicht auf meine Fragen.

Zum ersten Mal im Leben habe ich kürzlich Dr. Sommer geschrieben. Na ja, verklemmt wie ich bin, ging meine E-Mail an seine Pressestelle. Ich hatte sieben kurze Fragen zu Bravo Eltern: Dr. Sommer, einem Sonderheft des Bauer-Verlags. Mit einer 100.000er-Auflage liegt es noch bis September im Handel, für 5,50 Euro bekommt man 148 Seiten rund ums Erwachsen-Werden.

Auf der Verlagswebsite heißt es, das Heft sei als „Erste-Hilfe-Guide“ gedacht, „für die Eltern, die ihre pubertierenden Kinder (wieder) verstehen wollen und auch für Mädchen und Jungen, die mitten in der Pubertät stecken“. Geschrieben ist das Heft aber klar für Kinder und Jugendliche, mit Dutzenden Antworten auf Fragen wie „Wann wächst mein Busen endlich?“ und „Mögen Jungs auch mollige Girls?“.

Ich vermute, das eigentliche Kalkül besteht darin, dass Eltern das Heft kaufen, um es wie zufällig im Wohnzimmer liegen zu lassen – in der Hoffnung, ihr Kind auch ohne peinliche Gespräche ein wenig aufklären zu können. Auch als Auslage in der Schule kann ich mir das Magazin besser vorstellen, als in einer Zeitschriftenauslage am Kiosk, irgendwo zwischen Kinder- und Elternzeitschriften.

Wie gemacht für Instagram

Optisch könnte man das Heft mit Zeitschriften für junge Frauen verwechseln. Ich glaube nicht, dass das Design Jungs anspricht. Mit seinen Stockfotos, auf denen die Models meist nicht mal den Hauch eines Pickels haben, wirkt das Heft zudem seltsam clean. Von der Gestaltung her würde es als Krankenkassen-Werbebroschüre durchgehen. Und selbst die Protokolle hoffentlich echter Paare, die Einblicke in ihre Beziehung geben, wurden mit Symbolbildern illustriert, nach dem Motto: Authentizität? Ja, ist was Tolles, aber war uns zu teuer oder aufwändig.

Auf nackte Haut verzichtet die Eltern-Bravo, was mich überraschte, will sie doch vermitteln, dass jeder Intimbereich anders aussieht und trotzdem schön ist. Während die normale Bravo im „Dr.-Sommer-Bodycheck“ jeweils eine junge Frau und einen junger Mann nackt zeigt, wirkt das Sonderheft wie für Instagram optimiert: schöngefiltert, bis es langweilt, und so bieder, wie es die US-Fotoplattform verlangt.

Sprachlich ist das Heft in Ordnung. Manche Passage wirkt aber unfreiwillig komisch und klingt nur einen Satz weiter, als wolle man jetzt wirklich mit Bienchen und Blümchen anfangen: „Der äußere Bereich heißt Vulva“, heißt es etwa auf der Doppelseite „Wundervolle Vagina“. „Doch egal wie du sie nennst – Muschi, Pussy, Spalte, Muschel oder Schmuckkästchen: Sie ist dein intimster Körperteil. Sie schenkt dir jede Menge Lust und Glücksgefühle – und dank ihr kannst du später mal Kinder bekommen …“

Peinliche Nachfrage am Kiosk

Generell werden viele für Pubertierende wichtige Fragen vernünftig beantwortet, auch Themen wie Homosexualität schneidet das Heft an. Das Magazin ist fast werbefrei, die große Ausnahme ist eine Anzeigen-Doppelseite der umstrittenen Initiative Schmerzlos, deren Aufmachung an den redaktionellen Teil des Magazins erinnert. Würde mich interessieren, was diese Anzeige gekostet hat.

Noch spannender fände ich aber einen Einblick in die Verkaufszahlen des Hefts, denn ich vermute, dass es im Kiosk einen schweren Stand hat. Mir jedenfalls war es ein wenig unangenehm, an einem Verkaufsschalter zu fragen, ob sie „ein Dr.-Sommer-Heft, eine Bravo für Eltern oder sowas“ haben. Kindern dürfte der Kauf noch peinlicher sein.

„Freuen uns über Ihr Interesse“

Auf die Frage, ob auch die Macher von solch einer Hemmschwelle ausgehen, hat mir die für Dr. Sommer zuständige Bauer-Pressestelle nicht geantwortet. Genauso wenig bekam ich eine Rückmeldung auf die Fragen, wieso man nur Stockfotos benutzt und wieso das Aufklärungsheft so viel biederer daherkommt als etwa das hervorragende „Make Love„.

Die Pressestelle schrieb nur knapp zurück: „Wir freuen uns über Ihr Interesse. Wir möchten Sie allerdings um Verständnis bitten, dass wir aufgrund der sich häufenden Anfragen – auch weil Bravo im August 60 wird – zusätzlich zu unserer Pressemitteilung keine Statements geben können.“ Na, danke. Vielleicht war es auch einfach zu früh, um zumindest meine siebte Frage zu beantworten: „Ist schon ein zweites Heft geplant?“

2) Wo geiler Scheiß draufsteht, ist nicht unbedingt geiler Scheiß drin.

bock

Neben dem Bravo-Sonderausgabe lag bei mir in den letzten Wochen auch Bock im Wohnzimmer, kurzzeitig sogar zwei Mal. Ich hatte mir das Heft für eine Bahnfahrt gekauft, bevor ich merkte, dass schon ein Rezensionsexemplar im Briefkasten steckte, adressiert an „Bockfan“ Markus Böhm. Die Macher waren wohl zu recht überzeugt, dass mich ein „Gagazin für alle, die Lust auf geilen Scheiß haben“ anspricht.

Die Erstausgabe von Bock finde ich aber enttäuschend. Gemacht wird das Magazin vom Journalisten und Karikaturisten Peter „Bulo“ Böhling, zusammen mit Tele 5 und dessen Chef Kai Blasberg. Für fünf Euro bekommt man 100 Seiten, 10.000 Hefte wurden von Ausgabe 1 gedruckt.

Thematisch zielt das Heft eher auf Männer, darauf deutet auch eine Penislängen-Schablone hin, die einen Vergleich mit Ferrari- und Aston-Martin-Fahrern möglich macht. Im Magazin gibt es viele Karikaturen und Illustrationen, das Cover lässt erahnen, was den Leser vom Stil her erwartet.

„Geilen Scheiß“ habe ich vergeblich gesucht. Viele Bock-Inhalte kamen mir eher altbacken oder abschreckend vor: Brauche ich ein Interview, dass Kai Diekmann mit sich selbst führt? Mir reicht sein Getwitter, ich will keine Passagen lesen wie: „Mein Körper ist mein Tempel. Normalerweise sagt man ja: Entweder klug oder schön. Bei mir hat der liebe Gott da eine Ausnahme gemacht. Was für eine Verschwendung eigentlich. Glauben Sie mir, mein gutes Aussehen ist mir völlig egal. Ich bin ja nicht mal eitel.“

Titelgeschichte zu Hundekot

So brav und mittellustig wie das Diekmann-Interview kommen auch die meisten anderen Heftteile daher. Das Wildeste sind kurze Hassbotschaften, die man ausschneiden und Verkehrsrowdys an die Scheibe kleben soll, etwa „Ab heute ist Ihr Fahrzeug verflucht: Jede Taube dieser Stadt wird in Zukunft darauf ein Zeichen setzen.“

Die Titelgeschichten des Hefts drehen sich ums Hundekot-Wegräumen („Die Liegenlasser: Welche Typen sich einen Dreck um den ihrer Hunde scheren“) und um Einkaufswagen-Schlangen („Im gesellschaftlichen Würgegriff der Schlange – die politische Dimension des unterschätzten Phänomens Einkaufswagenstau“). Alltagsanekdoten werden mal mehr, mal weniger gut aufgeblasen, nette kleine Ideen nur nett umgesetzt.

Ein Männermodel zum Beispiel macht Frauenposen nach. Auf der Straße gefundene Zettel sollen dokumentieren, was die Deutschen wirklich bewegt. Passanten wie ein LARP-Fan oder ein Slackliner erzählen in Miniporträts, warum sie machen, was sie machen. Es gibt ein Papp-Dixi-Klo zum Ausschneiden, ein Wimmelbild voller nackter Comicfiguren zum Ausmalen und Fotos vom größten Fischmarkt der Welt.

Karl Dall gewinnt

Doch wo ist das Spektakuläre, das Weitererzählenswerte? Bock fehlt vor allem eine besondere Geschichte, über die man mit seinen Freunden sprechen will. Oder zumindest ein Hingucker-Cover, wie es vielen Titanic-Ausgaben die nötige Aufmerksamkeit sichert.

Und wie eigentlich kann man im Jahr 2016 eine Sammlung kurioser Gesetze aus aller Welt in ein vermeintlich originelles Heft packen? Wie kommt man auf die Idee, einen Comic von „Carlo, dem kackenden Clown“ mit drei Bildern anfangen zu lassen und dann zu schreiben, dass es das Ende auf der Website des Magazins gibt?

Am spannendsten fand ich in der Erstausgabe einen Artikel, in dem Karl Dall über das Thema Tod reflektiert. Im „Gagazin“ ist ausgerechnet der ernsteste Inhalt noch der interessanteste. Nett fand ich auch noch ein Angela-Merkel-Quiz, das mit einem Bild von einer Merkel-Puppe endet, die so creepy ist, dass ich sie sofort auf den Titel gepackt hätte. Creepy-Merkel, das ist geiler, wenn auch verstörender Scheiß. Nicht die Selbstironie von Kai Diekmann.

3)  Straßenmagazine können auch richtig schlecht sein. 

Ein drittes Magazin, das mich zuletzt irgendwie aufwühlte, ist das Straßen Journal Deutschland – ein im April gestartetes Heft, das in Hamburg und Umgebung von Obdachlosen verkauft wird. Ich weiß nicht so recht, ob das Magazin Stand heute noch existiert (Mitte Juli war es offenbar noch im Handel). Die Mai-Ausgabe, die bei mir herumliegt, lässt mich aber ernsthaft an den Zukunftschancen des Heftes zweifeln. Denn das Straßen Journal kauft wohl niemand freiwillig öfter als ein Mal.

straßen journal

In Deutschlands Großstädten ist man in Sachen Straßenmagazine fast verwöhnt: Hefte wie Hinz&Kunzt in Hamburg oder Biss in München sind handwerklich gut gemachte Zeitschriften, sie werden von Journalisten befüllt und bieten mitunter wirklich interessante Einblicke ins Stadtleben.

Das Straßen Journal Deutschland dagegen wirkt wie in 60 Minuten zusammengekloppt und dann nie wieder angeschaut. In meiner Mai-Ausgabe zum Beispiel druckt es auszugsweise die Wikipedia-Einträge zum Hamburger Hauptbahnhof, zur Geschichte der Titanic und zum Bischof Drogo von Metz nach, letzteres unter den Überschriften „Aus der Geschichte“ und „Wussten Sie das?“. Wow, Wikipedia to go, da haben Magazine im Digitalzeitalter ja doch noch ihre Bestimmung gefunden.

Dichtkunst der Marke Straßen Journal

Von den nur 20 Seiten blieb mir sonst ein Gedicht in Erinnerung, das mal jemand hätte Korrektur lesen sollen. „Der himmel weint mir mir“, beginnt es, „der wolken schauen grau an. kein glück und kein sternen. wo sind sie hin? sind sie gerluchtet für die dünkelheit? all diese frage schweben nür in mein kopf. wer kann mich hilfe bieten? wer beantwört sie? sagst du es mir?“ Darunter findet sich der Hinweis: „Wollen Sie Ihre eigene oder befindet Ihre Lieblings-Gedicht sich im Straßen-Journal?“

Mir tun vor allem die Menschen leid, die so einen Schrott verkaufen sollen, für 1,95 Euro, wovon sie offenbar immerhin 0,95 Euro erhalten. Lieber würde ich einem Obdachlosen aber direkt zwei Euro spenden, als dafür dieses lieblos gemachte Magazin zu bekommen.

Bemerkenswert ist übrigens auch das Cover der Mai-Ausgabe: „Zeitschrift Straßen Journal völlig legal“ steht auf der Titelseite des Straßen Journal, offenbar als Reaktion auf einen  Streit rund um den Marktstart des Magazins. Dazu halten Verkäufer die vorherige Ausgabe in die Kamera. Da zückt man dann natürlich sofort sein Portmonee – und kauft sich eine Ecke weiter lieber eine Hinz&Kunzt.

4) Für die Kollegen von Readly habe ich ein paar Screenshots gemacht.

Als ich auf einen Facebook-Kommentar der Magazinflatrate Readly stieß, musste ich Ende Mai kurz lachen. Mein jüngster Blogtext hatte noch einmal die Runde gemacht, weil er beim Spiegel-Online-Ableger Bento zweitveröffentlicht wurde, von wo er dann irgendwie auf dem Facebook-Account von Spiegel Online landete – mit einer Clickbait-Überschrift. Unter dem Post kommentierte einige Tage lang halb Social-Media-Deutschland, von Vice bis zum Fechterbund (hier ein Zwischenstand).

Interessant fand ich dabei, wie Spiegel-Online-Fans auf einen Bento-Artikel reagierten, der als Beitrag für ein Hobbyblog konzipiert war. Eine Facebook-Nutzerin hat die Entstehung des Textes sogar fast korrekt beschrieben: „‚Hey Praktikant, mach einen Artikel!‘ Praktikant gräbt in der Mülltonne, zieht ein paar Zeitschriften raus.“

Der absurdeste Kommentar kam dann aber von Readly. Der Account des Dienstes schrieb irgendwo im Diskussionsverlauf: „Spiegel Online, für eine kreativere Coverauswahl hättet ihr der Bento-Redaktion mal Readly zeigen sollen. Ihr würdet nicht glauben, was dann passiert wäre!!!“

Readly, ausgerechnet ihr?

Das fand ich witzig, denn ich kann sagen, was passiert wäre. Hier im Blog hatte ich Readly vor rund einem Jahr einmal vorgestellt, unter der Überschrift „Print kann so stumpf sein„. Der Dienst hat nämlich eine Archiv-Funktion, die für den Leser Segen und Fluch zugleich ist: Dank ihr merkt man, wie ähnlich sich oft die Magazinausgaben verschiedener Wochen oder Monate sind.

Aktuell habe ich sogar wieder ein Readly-Abo, daher habe ich kurz nachgesehen, was für Titelseiten von dort es in meine Auswahl der seltsamsten Cover hätten schaffen können.

Ein Kandidat wären die Helene-Fischer-/Florian-Silbereisen-Titel des Klatschmagazins Das Goldene Blatt gewesen. In den letzten Monaten war das Paar sechs Mal mit Foto auf dem Cover, wobei offenbar drei Mal dasselbe Fischer-Bild verwendet wurde. Die Redaktion hat ihr jeweils nur per Bildbearbeitung ein neues Kleid verpasst.

helene

An den Fotomontagen, die sogar als solche gekennzeichnet sind, fasziniert mich besonders das hellblaue Kleid, das auch als Tischdecke meiner Oma durchgehen würde.

kleid 3

Die zwei Cover mit der identischen Titelzeile „Hurra! Es ist so weit“ erschienen übrigens mit sechs Ausgaben Sicherheitsabstand. Hierbei ist besonders das Kleid auf der älteren Titelseite eine Photoshop-Meisterleistung:

helene kleid 2

Gut im Kleiderfärben ist nach wie vor auch die Fernsehzeitschrift TV Direkt, wo niemand in Nicht-Rot aufs Cover darf. Und blonde Haare werden offenbar auch bevorzugt.

tv direkt

Auffallend rot kommen auch die Skandal-Cover der Frau Aktuell zu Angela Merkel daher. Ihren Rücktritt muss ich in den vergangenen Wochen verpasst haben.

merkel rückttritt

Mitbekommen habe ich dagegen, dass die Laufzeitschrift Runner’s World gern ihre Coverzeilen recycelt:

runners world

Und nicht nur die Besser-Laufen-Zeile durfte schon ein Comeback feiern:

runners world 2

Vielleicht meint Readly mit den kreativen Covern aber auch die, die wohl aus Rechtsgründen nicht mehr vollständig gezeigt werden?

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Oder jene Cover, die ohne Titelzeile nicht mehr ganz so gelungen aussehen?

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Oder meinte Readly die Asi-Titel des Promiblatts Closer?

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Die Closer-Cover sind immerhin abwechslungsreicher als die Titelbilder der Kamera-Bibeln und des Deutschen Waffen Journals.

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Im Vergleich zu meinem letzten Besuch 2015 gibt es bei Readly aber auch Lichtblicke. So hat das Fotoheft CanonFoto nun nicht mehr in jeder Ausgabe einen durch den Sucher schauenden Mann riesengroß auf dem Titel. Der Knipser ist jetzt kleiner und nach rechts oben gewandert. Zwei Mal war an der Stelle zuletzt sogar eine Frau zu sehen.

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Und sogar beim Kochmagazin „Mein Lieblingsrezept“ gab es eine bemerkenswerte Änderung. Nachdem das Heft mindestens zwei Jahre lang auf jeder Ausgabe mit „Jetzt neu: 8 Seiten mehr“ warb, ist der Spruch jetzt, zum fünfjährigen Heft-Jubiläum, vom Cover verschwunden (oben links).

lieblingsrezept

Im Editorial der ersten Ausgabe ohne „8 Seiten mehr“-Banner findet sich dafür der folgende Satz: „Hier bleibt alles beim Alten, auch in den nächsten fünf Jahren!“

Entdeckt (62): Nackte, Tote und ein kiffendes Stinktier – 20 Hefte aus den USA

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Neues für Kiffer, Wildpinkler und Nudisten: Meinen Urlaub in New York habe ich auch in Magazinläden verbracht. Zehn Kurzbesprechungen – und zehn Zeitschriften, die nicht mehr in den Koffer passten.

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Papier kann ganz schön schwer werden. Das merkte ich im USA-Urlaub, als ich drei Kilo Magazine durch Manhattan schleppte, zusätzlich zu den üblichen Souvenirkäufen. Ich dachte: Wenn ich schon in New York bin, muss ich auch ein paar US-Magazine kaufen – und aus ein paar wurden schnell ein paar mehr. Wo genau ich einkaufen war, berichte ich am Ende dieses Artikels.

In Tradition dieses Blogs habe ich vor allem nach skurrilen Magazinen Ausschau gehalten: Bekannte Zeitschriften wie Time oder den mittlerweile weniger freizügigen US-Playboy bekommt man ja auch recht gut in Deutschland.

In den Läden fiel mir immer wieder auf, wie selbstverständlich britische oder kanadische Zeitschriften mit im Regal standen. So erklärt sich auch, warum von den folgenden 20 Heften aus New York nicht alle aus den USA kommen.

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Going Natural: Hier sind sogar die Autoren nackt

Mein erster Kauf war auch ein gleich ein Heft aus Kanada. Für für 8,95 Dollar nahm ich Going Natural mit, ein „Das Magazin für nacktes Leben“, was man nicht mit Magazinen über lebende Nackte verwechseln sollte. Trotz seines Themas kommt Going Natural halbwegs U-Bahn-tauglich daher, mit einem vergleichsweise dezenten Cover und deutlich mehr Text als Fotos im Inneren.

Die Bilder sind unaufdringlich. So sieht man etwa eine Gruppe Männer und Frauen beim Nacktschwimmen und auf für ihre Autorenfotos scheinen die Schreiber mit nackten Oberkörper zu posieren. Ein Artikel gibt Tipps für den Fall, dass Nacktfotos bei der falschen Person landen, wie: „Wenn die Person, die dich erkennt, vertrauenswürdig ist, kannst du antworten: ‚Ich kenne den Fotografen persönlich. Willst du von ihm fotografiert werden?'“

Auf den Rest des Heftes verteilen sich Nachrichten („Veteranen behandeln posttraumatische Belastungsstörung mit Nudismus“), Ausflugstipps („Neues FKK-Restaurant in London“) und ein Kreuzworträtsel („Offizieller FKK-Strand in Florida“ mit acht Buchstaben?), drumherum berichten Nudisten über ihre Sorgen und Erfahrungen.

Die meisten Artikel sind sowohl auf Englisch als auch Französisch, so relativiert sich die Heftlänge von 48 Seiten. Am Ende verließ die Macher vielleicht auch der Einfallsreichtum: Vor einer Anzeige für eine Nacktkreuzfahrt („Bietet den Luxus, zu entscheiden, was man nicht trägt“) haben sie noch lustige Bildchen aus dem Internet wie dieses abgedruckt.

Street Fighter Swimsuit Special: „Gewinnen ist schön“

Mehr Haut als in Going Natural – wenn auch in Bikinis und Badehosen – bekommt man in einem Street-Fighter-Comicheft zu sehen. Das „Swimsuit Special“ – Sports Illustrated lässt grüßen – zeigt die Figuren der Prügelspielreihe beim Strandausflug. Kämpfer Ryu etwa sitzt mit einer Hadoken-Boxershorts im Whirlpool, darüber steht „Die Antwort liegt im Herz der Schlacht“. Vega sagt „Gewinnen ist schön – und ich bin es auch“, Poisons Botschaft lautet „Ich bin stärker UND heißer als du.“

Die von mir gekaufte Ausgabe ist laut Impressum die erste dieses Konzepts und mit gleich drei Cover-Varianten erschienen, jeweils mit anderen Frauen auf dem Titel. Die Altersempfehlung für das Heft liegt bei 12+, Nacktbaden fällt daher aus.

Für vier Dollar für 32 Seiten ist das Heft wohl nur für Sammler und Hardcore-Fans der Serie interessant. Lustig fand ich zumindest ein Strand-Wimmelbild im hinteren Heftteil, das nahezu alle Figuren auf einmal zeigt. Der für seine Elektroschocks bekannte Blanka bedient darauf den Grill.

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American Cheerleader: Wer hat noch gleich den Ball?

Voller Pathos und so typisch amerikanisch kommt American Cheerleader daher, eine Mädchenzeitschrift für 4,99 Dollar, bei der ich die „Zurück in die Schule“-Ausgabe erwischt habe. Auf 114 Seiten stellt das Heft Cheerleader und Teams aus vielen Bundesstaaten vor, dazu gibt es Tipps zum Turnen und Tanzen. Man könnte meinen, für Mädchen ende der amerikanische Traum an der Seitenlinie.

Die Ratschläge reichen vom Packen fürs Stadion (Extrasocken und Sonnencreme müssen mit!) bis hin zu Beauty-Tricks, Gymnastik-Übungen und Rezepten. Sogar Informationen zu den Copyright-Regeln bei Musikstücken gibt es, ebenso ein Horoskop („Du hast diesen Sommer hart trainiert, es ist Zeit Tempo rauszunehmen.“). Ein großes Thema ist auch der Schulalltag, für den Outfits nahegelegt werden, von „sportlich“ bis „edgy“.

Hinten im Magazin findet sich ein Quiz, mit dem Cheerleader herausfinden können, ob sie überhaupt verstehen, was ein paar Meter weiter vor sich geht. Die Football-Regeln werden darin auf Fragen wie „Ist das Team ohne Ballbesitz die a) Offensive oder b) Defensive?“ heruntergebrochen. Damit bloß keiner im falschen Moment jubelt.

Faeris and Enchantment: Zauberhafte Frauenwelt

Um Mädchenträume geht es auch in Faeris and Enchantment, kurz FAE. Das Magazin aus dem britischen Cornwall widmet sich der Welt der Feen – also Menschen, die sich für Feen halten oder wie sie kleiden. „Je mehr Menschen an Feen glauben, desto mehr Power haben die Feen“, heißt es in einem Artikel: Power, „um ihren Job zu machen und die Umwelt und die Tiere zu schützen und zu heilen.“

FAE stellt mehrere Feen und eine Meerjungfrau vor. Auf 52 Seiten verteilen sich Neuigkeiten, Yoga- und Make-up-Tipps, ein Horoskop und Reiseempfehlungen für Irland. Nur wie ich selbst höhere Kräfte wie Unsichtbarkeit bekomme, habe ich im Heft nicht erfahren. Für 9,99 Dollar war das wohl zu viel erwartet.

Die Fotostrecken des Hefts zeigen Feen mit Blumen und in der Natur, eher vernünftig angezogen als halbnackt. Mitunter sind die kunstvoll daherkommenden Aufnahmen aber so bunt, dass das Anschauen fast anstrengt. Das Heft lebt von diesen Bildern, allzu lange Texte gibt es nicht. Männer sucht man in FAE – wie in American Cheerleader – vergebens.

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Obstacle: Einfach laufen lassen

Jede Menge Männer in kurzen Hosen bekommt man in Obstacle zu sehen. Das Sportmagazin kostet 8,99 Dollar und kommt aus Großbritannien. Mit 116 Seiten Service will es Extremhindernisläufer bei ihren „schlammigen Abenteuern“ unterstützen.

Wettbewerbsberichte treffen auf Fotostrecken und Lauftipps, ebenso werden Schuhe, Klamotten und Ernährungshelfer wie flüssige Eier und Chia-Protein-Riegel empfohlen. Die Events, um die es geht, heißen „The Suffering“ und „Superhuman Games“.

Frauen machen 30 Prozent der Extremläufer aus, heißt es einmal und Obstacle bemüht sich, auch ihnen Platz zu bieten. So werden Facebook-Frauengruppen als Anlaufstellen genannt und es gibt ein Pro und Contra zur Frage, ob Pärchen gemeinsam laufen sollten. „Besserer Sex“ und ein „totales Verständnis“ für das Hobby des anderen sprechen dafür, Probleme wie „Deine Zeit für dich ist verloren“ dagegen.

Die Frage vom Cover „Pinkeln oder nicht pinkeln?“ wird im Heft detailliert beantwortet – auch für den Fall, dass kein Baum oder Busch in der Nähe ist. „Denk‘ über deinen Kleiderschrank nach“, lautet ein Tipp. „Es gibt Zeiten, wo ein Im-Rennen-Pinkeln extra vorteilhaft ist, und zwar, wenn du Neopren trägst. Ein taktisches Pipi-Machen in den Neoprenanzug (Achtung: deinen eigenen) kann selbst das kälteste aller Herzen wärmen.“

Stand: Schluss mit dem Rumgeeiere

Ein ungewöhnliches Männermagazin ist Stand. Vermarktet wird es als Zeitschrift für Männer „wie du und ich“, die „die Welt zu einem besseren Ort machen wollen“. Passend zu dieser Prämisse liefert das Heft keine Fitness- oder Sextipps im Stil der „Men’s Health“, sondern verhandelt eher grundsätzliche Themen.

In einem Essay geht es um das Männerbild unserer Zeit und darum, dass es bei Männern offenbar keine Bewegung gibt, die es korrigieren will – anders bei den Frauen. Eine Fotostrecke zeigt dazu muskelbepackte Actionfiguren. Ein dritter Artikel plädiert dafür, Redewendungen wie „Eier haben“ nicht mehr zu verwenden. Statt „Eier“ könne man das Wort „Herz“ benutzen.

Ein Ein-Themen-Heft ist Stand aber nicht: Ein weiterer Text thematisiert die bei Männern höhere Suizidrate, inklusive Hinweisen für den Fall, dass man jemanden kennt, der sich etwas antun könnte („Schaff die Waffen aus dem Haus!“).

Ansonsten werden zum Beispiel ein schwules Pärchen und ein „Buzzfeed“-Autor interviewt und eine Fotostrecke zeigt Männer aus Südafrika – in Unterhose.  Alles in allem eine interessante Mischung,mit 15 Dollar für 98 Seiten ist das Heft aber zu teuer.

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ReMind: Willkommen in der Vergangenheit

Wem Männerbilder wie die in Stand zu modern sind, dem gefällt vielleicht ReMind. Das Monatsmagazin bietet kurze Artikel und grob für jeden Tag ein Rätsel, von einer Quizfragen-Sammlung bis zum Wortsuchspiel. Eine kleine Zeitreise mit Leerstellen also, die nur darauf warten, gefüllt zu werden – etwa mit einer Erinnerung an die „Sexy Pineapple Diet“, wenn eine Diät aus Dänemark aus den Sechzigerjahren gesucht wird.

Passend zum Retrothema ist das Heft überwiegend Schwarzweiß, nur auf 16 der 56 Seiten gibt es Farbfotos. Abseits der Rätsel kann man nachschlagen, wie die Lebenskosten, die Zeitschriftencover und die Musikcharts im Jahr 1989 aussahen, dazu werden Comics aus den Vierzigern, Sechzigern und Siebzigern abgedruckt. Hat man sich damit abgefunden, dass Kinotickets heute nicht mehr vier Dollar, sondern mitunter das Fünffache kosten, kann man sich dem Schwerpunkt der Ausgabe widmen: Politik.

Die Text dazu sind oberflächlich, so werden etwa Sexskandale in jeweils drei, vier Sätzen nacherzählt. Dazu lernt man etwas über Ronald Reagans Biografie und es gibt ein Stück über Politik in Filmen und im Fernsehen. Nett finde ich, dass ReMind sogar einige Retro-Anzeigen bietet – 4,99 Dollar wäre mir das Heft aber nicht noch einmal wert.

The Counter Terrorist: „Aber Frauen lieben es auch“

An Einsatzkräfte aller Art und aus aller Welt richtet sich The Counter Terrorist, eine Fachzeitschrift für 5,99 Dollar. Hinter dem Magazin steht Security Solutions International, ein Unternehmen, das Konferenzen und Trainings etwa zum Thema Terrorbekämpfung ausrichtet.

Schon im Editorial liefert das Heft Tipps dafür, wie oft man auf den Körper eines Feindes schießen sollte, bevor man zum finalen Kopfschuss ansetzt. „In dem Moment, in dem sein Gehirn merkt, dass er einmal angeschossen wurde, wird er mehrere weitere Male getroffen und nicht in der Lage sein, sofort zu reagieren“, heißt es. The Counter Terrorist kauft man also nicht, um herauszufinden, wie man neue Freunde kennenlernt.

Auf 76 Seiten werden verschiedene Fortbildungen vorgestellt, ebenso wird erklärt, wie sich Schulen gegen Amokläufer schützen könnten. Firmen werben in diesem Umfeld für Gürtel-Waffenhalter („konzipiert für Männer, aber Frauen lieben es auch“) und für mobile Straßensperren („gemacht in den USA bedeutet Jobs in den USA“).

Und auch über Europa findet sich der ein oder andere Satz im Heft, wie: „Heute sind viele europäische Städte vom Phänomen der ‚No-Go-Areas‘ betroffen, sich absondernden Einwanderer-Enklaven, die sich der Integration in ihre Gast-Gesellschaften widersetzen.“ Deutschland taucht im selben Artikel über Gewalt gegen Polizisten ebenfalls auf. Kurz angerissen wird die Attacke eines 15-jährigen „IS“-Sympathisantin auf einen Bundespolizisten in Hannover.

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Fortean Times: Eine Lupe als Penis-Vergrößerer

„Die seltsamsten Nachrichten der Welt“ und Einblicke in die Welt „seltsamer Phänomene“ verspricht Fortean Times, ein Heft aus Großbritannien. Wirklich aufregend sind seine 82 Seiten aber nicht – und mit 12 Dollar ist das Magazin, dessen Name auf den US-Autoren Charles Fort anspielt, fast schon unverschämt teuer.

Zu Heftbeginn werden erst einmal Medienberichte aus aller Welt nacherzählt, die teils schon älter sind, etwa „Katze erschießt Besitzer“ und „Ein Mann aus Malaysia zahlte online 83 Pfund für einen Penis-Vergrößerer – und bekam eine Lupe mit einer simplen Anleitung: ‚Nicht im Sonnenlicht benutzen‘.“

Es folgen – in anstrengend kleiner Schrift – Meldungen über ungewöhnliche Tode, Film- und Buchrezensionen sowie Berichte über Raubkatzen auf den britischen Inseln und angebliche Ufo-Sichtungen. Außerdem berichtet ein Autor, wie er ein neues Funhouse in Santa Fe besucht hat. Nichts davon muss man wirklich gelesen haben, wenn man nicht gerade einen beruflichen Neuanfang als Ghostbuster oder Ufo-Forscher plant.

Das einzig Interessanteste am Heft waren für mich letztlich einige Ausschnitte aus einer britischen Zeitung aus dem 19. Jahrhundert, der Illustrated Police News, die Verbrechen ihrer Zeit in Illustrationen festhielt. Die Zeichnungen sind nicht „die seltsamsten Nachrichten der Welt“, aber einen Blick wert.

Girls and Corpses: Tote, Models, Hitler

So schräg sich Fortean Times inszeniert, das kaputteste US-Magazin bleibt für mich Girls and Corpses. Ich habe das Heft 2014 schon einmal vorgestellt und eigentlich kann man die Überschrift von damals recyceln: Nach wie vor geht es (unter anderem) um „Tote, Models, Hitler“. Ein Text mit der Überschrift „Hitler der Magier“ etwa beginnt mit dem Satz: „Wenn es Magie genannt werden kann, vor den Augen der Welt sechs Millionen Juden – und Millionen andere – verschwinden zu lassen, dann kann man sagen, dass Hitler vielleicht der größte Magier aller Zeiten war.“

Höher ist das Niveau davor und danach nicht: Eine Leserin fotografiert sich mit einer älteren Ausgabe Girls and Corpses auf dem Klo, auf einem anderen Bild steckt das Heft in einer vollgeschissenen Schüssel. Ein Bestatter erzählt Anekdoten, ein Fotojournalist zeigt Bildern von Leichen, die er im „Selbstmord-Wald“ in Japan gemacht hat.

Wer Girls and Corpses für 8,95 Dollar kauft, bekommt auf 80 Seiten, was draufsteht: Eine Fotostrecke, aus der einen die angeblich „sexieste Magierin der Welt“, Krystyn Lambert, mit Gruselwesen im Arm anlächelt, bietet das Magazin auch.

Der größte Hingucker waren für mich aber andere Bilder: In der Heftmitte meiner Ausgabe versteckten sich acht Seiten mit uralten Werbeplakaten für Magiershows, etwa vom Entfesselungskünstler Houdini.

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Irgendwann auf meinem Einkaufstrip machte ich mir Sorgen um das Gewicht meines Koffers. Einige weitere interessante Hefte mussten daher in New York bleiben. Das gilt etwa für Discovery Girls, ein Magazin „von Mädchen, für Mädchen“.

Zu gern hätte ich gewusst, ob das Heft wirklich verrät, wie man zu „echter Popularität“ kommt und für das „echte Du“ gemocht wird. Wenn das schon kleine Mädchen lernen, wer müsste dann später noch Frauenzeitschriften wie Cosmopolitan kaufen?

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Ebenfalls „von Mädchen für Mädchen“ gemacht wird angeblich diese Ausgabe der Teen Vogue, die junge Leserinnen für die Modewelt der Mutterzeitschrift begeistern soll. Da darf dann auch mal Hillary Clinton verraten, warum bei der Wahl jede Stimme zählt. Für die Reihe 21 unter 21, die die Welt verändern, war sie dann doch zu alt.

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Noch viel älter als Clinton ist Good Housekeeping, ein Magazin, das seit dem Jahr 1885 verrät, wie man einen Haushalt führt. Bis heute scheint dieses Heftthema vor allem Frauen zu interessieren. Von Deko-Ideen und Rezepten abgesehen, berät Good Housekeeping auch beim Technikkauf, zur Frage: „Ist Ihr Zuhause sicher genug?“

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Hat man irgendwann genug vom eigenen Zuhause, kann man sich von Where to retire inspirieren lassen. Das Heft und vor allem seine Anzeigenkunden haben sicher eine Menge Ideen, wo Amerikaner ihre Rente verpulvern können.

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Wer glaubt, nie Rente zu bekommen, weil vorher die Welt untergeht, für den gibt es den American Survival Guide. Von Essig-Stellen bis zum Axt-Schmieden erfährt man hier fast alles, was man für die Postapokalyse wissen muss.

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Tipps für ein möglichst unabhängiges Leben bekommt man auch in einem Magazin mit einem schönen Namen: Mother Earth News. „Die Original-Anleitung zum weisen Leben“ wird hier versprochen – und leckere Apfel-Rezepte für den Herbst.

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Wer nicht nur Obst und Gemüse anbauen will, sollte sich statt Mother Earth News lieber Skunk ansehen. Das Magazin mit dem Stinktier beschreibt zum Beispiel die Reise eines Mannes „vom Hasch zur Gesundheit“.

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Welchen Kreaturen man auf seinem Drogentrip begegnet, lässt sich wiederum in Haunted nachschlagen. In diesem Heft geht es um verfluchte Filmsets, verwunschene Häuser und Horrorwesen wie den Slender Man.

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Und selbst wer nicht ans Übernatürliche glaubt, wird im US-Zeitschriftenhandel fündig: Er kann sich den American Atheist kaufen. Das Magazin bietet Themen wie „Offen Atheist an einer katholischen High School“ und „Gott ist für Abtreibung (steht so in der Bibel)“.

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Zu guter Letzt beeindruckte mich eine Ausgabe des Wissensmagazins Mental Floss. „Klau dieses Magazin“, stand auf ihrem Cover, aber dazu hatte ich nach diversen Dokus über US-Gefängnisse zu viel Angst. Und ein Heft mit diesem Titel kaufen, erschien mir auch inkonsequent, also blieb es im Regal. Fragt sich nur, wie lange.

…………..

Tipps für Touristen: Wo man in Manhattan gute Zeitschriften bekommt

Am besten fand ich in Manhattan den Magazinladen Casa Magazines (22 8th Ave). Er ist so eng und vollgepackt, dass nur noch von der Decke Zeitschriften hängen müssten: Schon könnte man das Ganze als 360-Grad-Einkaufserlebnis anpreisen. Bei Casa Magazines gibt es praktisch alles, von Mainstream-Hochglanz bis Indie-Schmuddel – und auch der Verkäufer verliert nicht die Nerven, wenn man länger durch ein Heft blättert.

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Casa Magazines in Manhattan: Magazinwände mit Tourist

Übersichtlicher als bei Casa Magazines geht es im Magazine Cafe (15 W 37th St) zu, dessen Eingang ich beim ersten Suchen übersehen hatte, so unauffällig ist er. Auch dort findet man eine gute Auswahl im Stil eines Bahnhofskiosks, zudem ist alles nachvollziehbar sortiert.

Sparen können hätte ich mir den Besuch beim dritten bekannteren Laden, Around the World (148 W 37th St). Dort werden vor allem Mode- und Designhefte aus aller Welt angeboten – zwei Genres, die mich langweilen, zumal solche Zeitschriften oft teuer sind. 

Einige interessante Magazine habe ich noch bei Barnes & Noble (555 Fifth Avenue) entdeckt: Die Filialen der Buchhandelskette führen viele Mainstream-Titel, aber auch manche Skurrilität.

 

Entdeckt (63): Wolf – Weniger Wischen, mehr Rauchen

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Meditation-Tipps, rauchende Weiberhelden und ein Auto-Quartett: Mit „Wolf“ hat das Kreativmagazin „Flow“ einen Ableger für Männer bekommen. Das Heft ist so untypisch für Männermagazine, das es vielleicht sogar Frauen anspricht.

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Womöglich bin ich nicht alt, nicht gestresst genug, um Wolf zu mögen. Oder aber, auch nicht beruhigender, ich lebe so schnell, so unachtsam, dass das Heft nie eine echte Chance bei mir hatte. Gelesen habe ich das „Männer-Magazin für das Wesentliche“ jedenfalls an einem Samstagabend, während parallel ein Spielfilm lief: Ich befürchtete, ein Medium allein könnte mich langweilen.

Dem Heft gegenüber ist das ein Affront, denn schon die erste Doppelseite ziert ein David-Bowie-Zitat: „I don’t know where I am going from here. But I promise it won’t be boring“. Aber: Wer traut schon Promizitaten in Zeitschriften? Und außerdem, hieß es nicht auf dem Titel, in den Worten von Marlon Brando: „Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemandem überholt werden“?

Wolf, Ende November erstmals erschienen und ein Ableger des Frauen-Kreativmagazins Flow, setzt laut Verlagsankündigung „auf Slow Journalism statt digitaler Eile“. Das Heft für 8,50 Euro stehe „für Entschleunigung, Achtsamkeit und Inspiration“, heißt es. Es richte sich „an Männer, die sich weniger Tempo und mehr Leben wünschen“.

Offline ist besser?

Nicht nur meine Lesesituation lässt mich bezweifeln, dass ich in diese Zielgruppe falle. Ich bin der Typ, der an der U-Bahn-Haltestelle ständig aufs Handy schaut oder Musik hört und das besser findet als früher, als es noch keine Smartphones gab. Und ich lasse mich nicht nur mit Nachrichten bombadieren, sondern gehe aktiv auf die Suche danach. Wolf allerdings idealisiert eine andere Art zu leben.

In vier Heftabschnitten wie „Mehr verstehen: Leben im Hier und Jetzt“ und „Jetzt ich: Zeit für eine Pause“ plädiert es für die Konzentration auf einen selbst, was meistens bedeutet: für ein analogeres Leben. Mehr Natur, weniger Netz. Wohl nicht nur gefühlt sind „Achtsamkeit“ und „Offline“ die Begriffe, die auf den 140 Seiten am häufigsten vorkommen. Folgerichtig gibt es das Heft nur gedruckt, nicht digital.

Ein Autor trifft in Wolf alte Kumpels und fragt sich, wie aus Turnbeutel-Verlierern Ladekabel-Liegenlasser geworden sind. Männer stellen ihre Hütten im Grünen vor, aber ohne ihren Preis zu verraten. Als drei Männer, „die wir klasse finden“, werden ein Wegebauer, ein Schiffslotse und ein Rennrad-Reparierer interviewt. Und einmal wird ein Handy präsentiert, das nur SMS und Telefonie kann und wie ein Taschenrechner aussieht: für – nein, es fehlt wirklich kein Komma im Preis – 295 Euro.

Wir sind alle nicht Steve McQueen

Handwerklich überzeugt Wolf. Die Textqualität ist ordentlich, trotz Duzen des Lesers und mancher Plattitüde wie „Wie geil ist das denn?“. Lang- und Kurzform, Bilder und Text wechseln sich ab und auch das schlichte, leise Layout mit stilvollen Illustrationen passt zur Stimmung, die das Heft vermitteln möchte. Hin und wieder habe ich aber auch das Gefühl, dass Wolf sich verrennt, wenn es nicht wie andere Männermagazine sein will, aber doch ein bisschen.

Dem Editorial zufolge war zum Beispiel ein Ziel beim Heft-Produzieren dieses: „Nicht so tun, als ob wir alle Steve McQueen wären“. Das ist ein guter Ansatz, denke ich mir, angesichts von Heften wie How to be a Playboy, wo man sich als jemand, der gerade ernsthaft ein Magazin namens How to be a Playboy gekauft hat, mit Cover-Star George Clooney vergleichen darf.

Doch die vier Wolf-Kapitel beginnen mit ganzseitigen Porträtfotos von David Bowie, Ryan Gosling, Sean Penn und Paul Newman, dazu wird kurz angerissen, was sie so erreicht haben, vom Oscar-Gewinn bis zur Madonna-Heirat. Ich sag’s mal so: Männer wie ich und die meisten, die ich so kenne, sind wirklich alle nicht Steve McQueen. WIR SIND ABER AUCH GENAUSO WENIG SEAN PENN ODER SCHAUSPIELER, PARDON, SÄNGER, PARDON, SEXSYMBOL RYAN FUCKING GOSLING!

Hängt sich bestimmt rein

Bei Ryan Gosling findet sich noch folgender Satz, der ihn vielleicht menschlicher erscheinen lassen sollte: „Gosling hat zwei Töchter mit Eva Mendes. Es ist unbekannt, wie gut er sich um die Kinder kümmert.“ Puh. Doch dann folgt noch: „Der Hit seiner Band lässt vermuten, dass er sich richtig reinhängt. Der Song heißt ‚Pa Pa Power‘.“ Ah ja.

Es fällt noch auf, dass alle vier Stars eine Kippe im Mund haben. Während sich ein Autor also übers „Scheißrumgewische auf dem Smartphone“ ärgert, – Suchtgefahr, emotionale Abhängigkeit und so -, scheint Rauchen in der Wolf-Welt noch cool zu sein.

Überhaupt scheint sich das Heft den Lebensstil vergangener Zeiten zurückzuwünschen – oder, realistischer, eine Männer-Zielgruppe zu haben, die deutlich älter ist als ich. So werden zum Beispiel (wie in gefühlt jeder Musiktrend-Geschichte der letzten Jahre) Schallplatten und Plattenläden abgefeiert – Zitat: „Vinyl ist bio“ -, worüber ich nur lächeln kann, weil ich mir gerade ein Mischpult mit Spotify-Unterstützung gekauft habe, was man analog zum Bio-Vinyl wohl mit „Massenmusikhaltung“ beschreiben würde.

Seine Lebens- und Leidensgeschichte erzählen darf außerdem der Hamburger Sänger Dirk Darmstaedter (früher bei The Jeremy Days), von dem ich, Jahrgang 1987, noch nie gehört habe. Ein Abschnitt im Darmstaedter-Text mit der Überschrift „Gegenwart“ scheint passenderweise in den Achtzigern zu spielen, ein anderer, „Zukunft“, im Jetzt.

Gute Reportage, blöde Postkarte

Interessanter als solche Artikel fand ich die Extras des Hefts. Anders als Frauen bei Flow bekommen Wolf-Käufer nichts zu basteln, sondern ein Quartett mit Film-Autos, eine lange „New York Times Magazine“-Reportage als Extraheft und vier Postkarten. Während das Quartett nett ist und die Reportage über einen Mann, der in den Ozean fällt, tatsächlich spannend, sind die Postkarten lächerlich. Ich jedenfalls will Willy Brandts Zitat „Lasst euch nicht zu Lumpen machen“ niemandem schicken und es auch von niemandem als Wolf-Werbepostkarte bekommen.

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Überhaupt, Promi-Zitate: Neben Brandt, Brando und Bowie finden sich im Heft weitere Sprüche wie „Wenn das Leben Zitronen schenkt, mach Limonade draus. Dann such jemanden, dem das Leben Wodka beschert hat, und feiert eine Party zusammen.“ Manche Wolf-Seite erinnerte mich so an WG-Küchen voller peinlicher Kühlschrank-Magneten, wie es sie dann vielleicht in Heft zwei als Extra gibt (meine Empfehlung: „“Willen braucht man. Und Zigaretten“ – Helmut Schmidt).

Nicht so schlecht finde ich es dagegen, durch Wolf mit der Welt der Achtsamkeit zumindest mal konfrontiert zu werden – um den Schluss zu ziehen, dass sie mich aktuell nicht interessiert. Einsteiger-Tipps zum Meditieren („Stell dir vor, dein Kopf ist ein Luftballon, der langsam nach oben gezogen wird“) flankieren den Erfahrungsbericht eines Journalisten und Krimi-Autoren, der bei einem Achtsamkeits-Kurs war, wo er minutenlang auf eine Rosine achten sollte (Im Text appelliert er an dieser Stelle zu Recht: „Bitte bleibt bei mir, Leute“).

Nur noch in den Puff

Außer ihm waren fast nur Frauen im Kurs, schreibt der Autor, der Kurs habe ihm aber etwas gebracht: Wenn die Kinder ihn aufregen, könne er nun nicht mehr sagen „Ich kann nicht anders, ich muss brüllen.“ Offen bleibt leider, ob die Kolumne einige Seiten vorher, in der sich derselbe Schreiber „wieder ein paar echte Feinde“ wünscht, vor oder nach dem Besuch des Kurses verfasst wurde.

Um Kinder geht es in Wolf ab und zu mal, prinzipiell ist das Heft aber aufs Mann-Sein fixiert. Es gibt eine Geschichte über eine Affäre, die der Protagonist letztlich bereut, und über eine Ex-Beziehung in Seattle. Auf Fotos tauchen Frauen im Heft höchstens zufällig mal im Hintergrund auf. Stattdessen findet man in Wolf noch Burger-Rezepte (neben einer Anzeige für das Fleischmagazin Beef) und einen Text über die revolutionäre Kraft der Bauhaus-Schule, der eventuell versehentlich hier rein statt ins im selben Haus wie Wolf und Beef produzierte Kunstmagazin Art gedruckt wurde.

Komisch wirkt auch, dass Wolf zwei Anti-Konsum-Texte bietet. Einmal wird ein Blogger vorgestellt, der seinen Besitz bis auf (mehr oder weniger) 100 Dinge verschenkt hat, einmal wird ein Sozialpsychologe unter der Überschrift „Wer weniger besitzt, hat mehr Zeit“ interviewt. Gleichzeitig jedoch finden sich im Heft einige Kauftipps, teils mit dem expliziten Hinweis, dass man die Produkte alle im Internet kaufen kann. Die Tipps reichen vom 120-Euro-Strandtuch über einen 650-Euro-Lederkopfhörer bis zur 1080-Euro-Kamera.

Wow, normale Typen

Angesichts solcher Preise war ich froh, dass kurz vor Heftende noch erklärt wird, wie man selbst einen Hocker baut – in zehn Minuten und mit Holz für zehn Euro. Und als dann auf der letzten Seite noch eine Amateur-Sportmannschaft – Fußball fehlte bis dahin komplett im Heft – vorgestellt wurde, auf deren Mannschaftsfoto acht ganz normale Kerle zu sehen sind, war ich auch mit dem Männerbild von Wolf versöhnt.

Denn, ja, ich bin nicht Steve McQueen oder Ryan Gosling, sondern realistisch eher der Typ rechts oben auf dem Mannschaftsfoto. Der, der es irgendwie verpasst hat, seine Bierflasche aus der Hand zu nehmen, als das Foto gemacht wurde.

Wolf – ein Fazit

Alles in allem finde ich Wolf vom Design her ansprechend, inhaltlich jedoch ist das Heft nichts für mich. Vielleicht fände ich das Heft interessanter, wenn ich ein anderer Typ Mann wäre: älter, Familienvater, mehr Naturbursche, weniger Nachrichten- und Technik-vernarrt. Was Wolf als toll darstellt – Meditieren, Offline-sein, im Grünen wohnen und arbeiten – finde ich alles nur interessant, solange ich es nicht machen muss.

Meiner Freundin würde dieses Männerheft besser gefallen. Auf Nachfrage sagt sie jedenfalls: „Da könnten vielleicht noch mehr Gesundheitstipps für Männer drinstehen.“ Und vielleicht zielt Wolf ja sogar insgeheim auf Frauen: auf Flow-Leser, die ihrem Partner mal so etwas Ähnliches unterjubeln wollen.

Das würde auch erklären, warum im Heft kaum Frauen vorkommen und erst recht keine nackten, im Gegensatz zu Frauenheld Ryan Gosling. Die meisten Frauen würden ein typisches Männermagazin nämlich niemals für ihren Partner kaufen. Bei Wolf dagegen kann nicht viel schiefgehen: Der Partner kann es nur langweilig finden. Oder aber er legt mal sein Smartphone weg, beginnt zu meditieren und baut einen Hocker.

 

Infos zum Heft

Wolf ist ein Ableger des Frauen-Kreativmagazins Flow und erscheint in der Verlagsgruppe Deutsche Medien-Manufaktur (DMM), laut Pressemitteilung einer Tochter von Gruner + Jahr und dem Landwirtschaftsverlag Münster.  

Zur DMM gehören auch Hefte wie LandlustEssen & Trinken und Essen & Trinken mit ThermomixDie Druckauflage von Wolf beträgt 70.000 Exemplare, das Magazin gibt es im Zeitschriftenhandel zu kaufen.

Besprochen wurde die Erstausgabe aus dem Winter 2016. Sie hat 140 Seiten und kostet 8,50 Euro.

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